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Der Mond bricht durch die Wolken

Der Mond bricht durch die Wolken

Titel: Der Mond bricht durch die Wolken
Autoren: Edmund Crispin
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der Nähe niederstürzen und ihn durch Starkstrom töten würden. Klagen über die Bedrohung durch den Pisser waren von den E-Werk-Leuten zunächst geringschätzig abgetan worden, um so mehr, als er nur in unregelmäßigen Abständen tätig wurde, so daß die zuerst eingesetzten Techniker ihn so stumm wie eine Auster vorgefunden und voll Empörung darüber, daß ihre kostbare Zeit von falschen Alarmrufen in Anspruch genommen wurde, wieder abgezogen waren. Monate später war der Pisser jedoch von einem hohen Beamten des Werkes belauscht worden, der in der Nähe mit Frau und Kindern bei einem Picknick gewesen war; die Haltung der Behörde hatte einen schlagartigen Wandel erfahren, und der Pisser wurde jetzt häufig von Technikern in Hubschraubern oder Werkstattwagen besucht, in der Hoffnung, ihn bei seiner Geräuscherzeugung zu ertappen und endgültig festzustellen, was dahintersteckte. Im zweiten Teil des Überwachungsprogramms hatten sie bisher keine Erfolge aufzuweisen gehabt, da der Lärm des Pissers nicht nur zwei vollständige Überholungen gemeinhin überstanden, sondern sowohl an Lautstärke als auch an Häufigkeit sogar noch zugenommen hatte. Aus diesem Grund beeilte sich jedermann, wenn er in seiner Nähe war, ihn möglichst rasch zu passieren.
    Bis Padmore über das Verhalten des Pissers genau unterrichtet war, hatten sie ihn sicher passiert, aber da der Major vom gleichzeitigen Reden und Hasten außer Atem war, blieben sie zu einer kurzen Rast stehen, wobei ein Pferd sie über die Hecke anstarrte.
    »Du schlimmes Tier, du«, sagte der Major zu ihm.
    »Ist es in schlechter Verfassung?« fragte Padmore.
    »Nein, nein, mein Lieber, es ist ein ganz gewöhnliches, gesundes Pferd«, versicherte der Major. Das Pferd rollte mit den Augen und zitterte mit den Ohren auf seinem Schädel. »Schreckliche, heimtückische Wesen«, sagte der Major. »Beißen einem den Kopf ab, ehe man sich umsieht.«
    Wie um das zu bestätigen, bleckte das Pferd große gelbe Zähne und packte einen Eschenschößling, wich zurück und versuchte erfolglos, den Schößling aus seiner Verankerung in der Hecke zu reißen.
    »Aber ich dachte, Sie wären bei der Kavallerie gewesen«, sagte Fen zum Major, als sie weitergingen. »Bevor Panzergrenadiere daraus wurden, meine ich.«
    »Ganz richtig, mein Lieber. Zwanzig Jahre lang, in Indien.«
    »Aber haben Sie sich da nicht an Pferde gewöhnt?«
    »Nein, im Gegenteil«, erwiderte der Major. »Je mehr ich von Pferden sah, desto weniger konnte ich mich an sie gewöhnen. Ich war eine Woche lang betrunken«, gestand er, »um den Tag zu feiern, an dem sie abgeschafft wurden. Denn als sie fort waren, nicht wahr, konnte ich nicht mehr stürzen.«
    »Sie wollen sagen, Sie sind oft gestürzt.«
    »Nein, gar nicht. Ich hatte nie einen Sturz, selbst als ich in meiner Kindheit reiten lernte nicht. Sie können jetzt verstehen, was das bedeutete. Das Gesetz der Wahrscheinlichkeit, und so weiter«, sagte der Major, mit Hilfe seines Stockes flott ausschreitend. »Je länger ich ohne Sturz blieb, desto wahrscheinlicher wurde es, daß ich einen haben würde. Am Ende zerrte das ein bißchen an den Nerven, weil jedesmal, wenn ich auf ein Pferd stieg, die Chancen ungefähr eine Milliarde zu eins standen, daß ich nicht stürzen würde. Ich habe aber gewonnen«, sagte er stolz. »Ich überlebte. Kein Sturz. Ich bin noch da, um davon zu berichten. Padmore, reiten Sie?«
    Padmore verneinte.
    »Lassen Sie sich nie verlocken, es zu versuchen«, sagte der Major. »Außer, es gefällt Ihnen, auf einem beweglichen Doppelbett zu sitzen, das von zehn mordlustigen Irren getragen wird.«
    Auf der linken Seite kamen sie an der geraden, steinigen Wagenspur vorbei, die, auf beiden Seiten mit Draht eingezäunt, zum Grund von Aller House führte; zwischen den Bäumen und den vielen Masten erhaschten sie Blicke auf die Stände und Zelte des Pfarrfestes. Als sie nach einer Biegung in das Dorf Aller gelangten, ging es auf der rechten Seite vorbei an dem Weg, der zu Broderick Thouless’ Bungalow, zu Youings Schweinefarm und zum Cottage der Dickinsons, das Fen bewohnte, führte.
    Schließlich erreichten sie nach einer zweiten Biegung das Haus des Pfarrers, ein riesiges dräuendes Bauwerk aus der mittleren viktorianischen Periode in einem angenehm großen Garten.
    Das Haus des Pfarrers hieß ELFENPEIN.
     
     
    2
     
    Die Familie des Pfarrers lebte schon in Aller, seit einer seiner ferneren Vorfahren nach Devon geflüchtet war, um zu
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