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Der Monat vor dem Mord

Der Monat vor dem Mord

Titel: Der Monat vor dem Mord
Autoren: Jacques Berndorf
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werden. Aber das ist kein Problem.«
    »Schön. Welche Vorteile?«
    Horstmann räusperte sich. Er zündete sich eine Zigarette an und murmelte: »Entschuldigung, ich muss mich jetzt konzentrieren.«
    Das klang durchaus nicht anmaßend in den Ohren seiner Kollegen, eher scheu und verlegen. Horstmann wirkte eben so.
    »Na klar«, sagte der Chef gütig.
    »Es ist wahrscheinlich«, begann Horstmann monoton, »dass wir mit diesem Mittel endlich ein brauchbares Schlafmittel auch für Kinder gefunden haben. Auf diese Idee hat mich übrigens Herr Ocker gebracht,« Horstmann fand es durchaus natürlich, Ocker zu loben. Er wusste, dass außer ihm niemand in diesem Raum ein Lob mit einem anderen teilen würde, aber Ocker war so etwas wie ein dienstbarer Geist für ihn. Wenn Horstmann Ocker lobte, konnte niemand Horstmann als einen Ehrgeizling, Egoisten und Karrieristen bezeichnen, Vermutlich machte er sich mit dieser Selbstlosigkeit sogar lächerlich, aber er wollte es so, denn seine Rechnung würde auf diese Weise glatt aufgehen.
    »Hervorragend, die Herren«, sagte der Chef. »Ich werde gleich nach geeigneten Kliniken suchen lassen.«
    Horstmann und Ocker versanken in vollkommene Interesselosigkeit, während die übrigen das Ergebnis ihrerArbeiten vortrugen, und ihre Stimmen dabei zuweilen hoch und beinahe schrill vor Aufregung wurden, um den Chef auf Sensationen vorzubereiten, die niemals Sensationen waren.
    Spielen wir heute Abend Canasta?«, flüsterte Ocker. »Gretchen hat gesagt, es würde ihr passen. Passt es Maria?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Horstmann. Er hasste Canasta. »Ich kann gleich mal anrufen.«
    »Das wäre fein«, murmelte Ocker.
    Ocker ist verdammt clever, dachte Horstmann. Vielleicht kann ich ihn eines Tages dazu bringen, dass wir ohne die Frauen Urlaub machen. Wir suchen uns irgendwelche Mädchen an Ort und Stelle. Vielleicht geht das. In einem Hauch von Resignation kam die Erkenntnis, dass er eigentlich keine Freunde hatte. Nicht einmal einen einzigen. Die Leute aus der Studienzeit waren fortgewirbelt, die Verbindung, der er angehört hatte, lud ihn zwar regelmäßig ein, aber er ging nicht hin. Er wehrte sich verzweifelt dagegen, Mitglied eines Vereins zu sein. Und Ocker war ihm einfach zu clever, zu faul und zu ordinär, um ein wirklicher Freund zu sein. Ocker war phantasielos und ernährte sich mehr oder weniger von schmutzigen Witzen und Pornographie. Ocker litt darunter, dass er keinen Doktortitel besaß, und er half sich eben über die Runden, so gut es ging. Aber clever war er. Möglichst viel Geld für möglichst wenig Arbeit!
    Plötzlich war da nicht mehr das Spiel von Frage und Antwort zwischen dem Mann am Kopfende des Tisches und einem der Chemiker.
    »Meine Herren, ich wollte nicht nur Ihre Zwischenergebnisse hören, sondern gleich einen neuen Auftrag erteilen. Bachmann, holen Sie mal bitte den Glaskasten aus dem Kühlraum.« Es gab ein wenig Gescharre, die meisten spielten völlig unangebrachtes Interesse vor, als würde der Mann amKopfende des Tisches gleich einen zirzensischen Akt von hohen Schwierigkeitsgraden vollbringen. Es war immer dasselbe.
    Der Junge namens Bachmann, der sein Praktikum machen wollte, brachte einen gläsernen Kasten herein, der ganz ähnlich konstruiert war wie ein Aquarium. Durch die Glasscheiben sah Horstmann eine Unmenge Tierchen, die so aussahen wie kleine und kleinste Regenwürmer. Aber sie hatten schwarze Greifzangen an einem Ende des Körpers.
    Der Chef rückte den Kasten dicht vor sich, so dass Horstmann dessen Gesicht durch die Klumpen dieser Würmer so sah, als nagten sie unmittelbar darin. Es war eine belustigende Vorstellung. Horstmann fragte sich, wie lange diese kleinen Tiere brauchen würden, den klugen Kopf zu skelettieren.
    »Meine Herren«, sagte der Mann hinter den zuckenden Würmern, »Sie sehen hier eine erstaunliche Erscheinung. Es handelt sich um einen Wurm, den es eigentlich nicht geben dürfte, weil er in keinem biologischen Werk erwähnt wird. Die Wissenschaftler in allen möglichen Ländern kennen ihn nicht. Man vermutet, dass es sich um eine besondere Art handelt, die aus herkömmlichen Schädlingen plötzlich mutierte.« Er machte eine kleine Pause. »Er ist, um es kurz zu sagen, in ungeheuren Mengen in den kanadischen Nadelwäldern aufgetreten und zerstört sowohl die Stämme wie die Nadeln. Wie Sie wissen, ist Kanada einer der größten Holzexporteure der Welt. Die Wirtschaft braucht Kanadas Holz für Papiere aller Art. Zunächst also
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