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Der Metzger bricht das Eis

Der Metzger bricht das Eis

Titel: Der Metzger bricht das Eis
Autoren: Thomas Raab
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Krainer, dann versuchen wir’s anders: Beschleunigen Sie auf neunzig, ich bin sicher, er bleibt uns auf den Fersen. Dann haben wir ihn auch!«
    »Wenn meine Wahrnehmung stimmt, dann schneit es, ist es kurvig, und Wolken haben sich vor den Mond geschoben, Frau Kollegin!«
    Dieser aufgeblasene, schulmeisternde Restposten namens Krainer, von der ersten Minute an war er ihr unsympathisch. Wenn Irene Moritz eines nicht leiden kann, dann die Urinstinkte einer gar nicht so geringen Zahl etwas betagterer Männchen gegenüber einer jüngeren Frau: Entweder sie putzen sich mit dem Weibchen auf, oder sie putzen es herunter. Josef Krainer, der zu Zweiterem neigt, ist hier allerdings an der völlig falschen Adresse.
    »Unter uns, Kollege Krainer: Jetzt hocken wir ja ohnedies schon in einem Rentnerfahrzeug, da müssen’S nicht auch noch so fahren!«
    Was ein Dienstwagen der Marke VW mit Rentner zu tun haben soll, versteht er jetzt nicht ganz, der Josef Krainer, immerhin fährt er seit sechzehn Jahren selbst einen Golf. Und was am Langsamfahren und vor allem an Rente per se schlecht sein soll, versteht er schon gar nicht. Im Alter von fünfundfünfzig Jahren in der Hoffnung auf Aufstieg versetzt zu werden und dann eine Amazone vorgesetzt zu bekommen, das schreit ja förmlich nach Frühpensionierung.
    »Wollen Sie vielleicht fahren, Frau Kollegin?«
    »Fahrerwechsel, gute Idee: Dann überholt er uns gemütlich und lacht sich nach der erstbesten Kurve ins Fäustchen. Sicher nicht. Nein, nein, Krainer, zeigen Sie, was Sie drauf haben!«
    Genau so eine Ansage will ein erfahrener Ermittler hören, insbesondere von jemandem, der seine Tochter sein könnte.
    »So eine Emporkömmli…!«, geht es ihm durch den Kopf, und dann scheitert er grammatikalisch an der Vollendung dieses Gedankens. Der Emporkömmling ist und bleibt eben männlich, da nutzt die umfassendste Rechtschreibreform nichts. Josef Krainer hat die Nase voll, fährt rechts ran und steigt aus.
    »Ich fahr hier keine Qualifikation, werte Kollegin!«
    »Da haben Sie recht, werter Kollege. Um Ihre Qualifikation unter Beweis zu stellen, ist es auch wirklich längst zu spät!«
    Gemütlich taucht sie im Blickfeld der beiden Beamten auf, die Ziffer eins. Leuchtend gelb strahlt sie selbst in der Dunkelheit. Liebevoll kuschelt sich Toni Schuster auf seinen Tank, legt sich in die Kurve und wächst um ein paar Zentimeter.
    Josef Krainer zündet sich zufrieden eine Zigarette an, im Wageninneren brodelt es, dann läutet ein Handy:
    »Moritz?«
    »Hallo, Irene, ich bin’s!«
    »Ja Willibald, meine Güte, tut das gut, dich zu hören! Was gibt’s?«
    Aufmerksam hört Irene Moritz zu, denn Willibald Adrian Metzger, dem einst besten Freund des verblichenen Kommissars Eduard Pospischill, nicht die volle Aufmerksamkeit zu schenken, das hat sich vor allem für den Kommissar selbst als fataler Fehler erwiesen.
    »Selbstverständlich schick ich dir wen. Wie bitte? Schicken, genau. Tut mir leid Willibald, aber eigentlich bin ich seit heute Morgen im Urlaub, erstmals nach zwei Jahren. Hab ich bitter nötig, das kannst du mir glauben. Tourengehen, zwei Wochen. Morgen früh geht’s los. Hals und Beinbruch wünschst du mir, na, dann vielen Dank. Dir auch alles Gute. Genau, es kommt wer.«
    Dann legt sie auf.
    »Krainer!«, hebt Irene Moritz die Stimme. »Einsteigen, aber plötzlich. Bringen Sie mich heim, und dann fahren’S weiter ins Kinderspital!«
    Jawohl, denkt sich nun auch der Angesprochene: Hals und Beinbruch!

7
    »Sag, wollen Sie mich frotzeln. Deswegen muss hier die Polizei antanzen?«, wird Willibald Adrian Metzger unwirsch unterbrochen. »Die zweite Spur heißt gar nichts, außer dass irgend so ein Spechtler nach dem Sturz genauso wie Sie sofort neugierig auf die Terrasse gehoppelt ist, um sich den Haufen Matsch von oben anzusehen.«
    Da muss er kein Prophet sein, der Willibald, um zu wissen: Was die professionelle Betreuung dieses Falles betrifft, hätte er auch den Priesternotruf oder Pizzaservice herbestellen können.
    »Aber warum springt eine Mutter vom Dach, wenn gerade ihre Tochter mit dem Leben davongekommen ist, das …«, versucht er sich ein zweites Mal und lernt Josef Krainer nun so richtig kennen.
    »Nix aber! Die hat sich absichtlich keinen Heuhaufen, sondern einen Innenhof zum Reinhupfen ausgesucht, kapieren Sie das endlich – und mehr interessiert mich nicht. Außerdem ist die Dame noch gar nicht tot, also was soll ich hier?«
    »Und was passiert mit der kleinen
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