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Der Matarese-Bund

Der Matarese-Bund

Titel: Der Matarese-Bund
Autoren: Robert Ludlum
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wenig Schlaf. Über die Gründe wollte Scofield gar nicht nachdenken. Es galt einen Auftrag zu erledigen, und er war Profi; seine Konzentration durfte einfach nicht nachlassen.
    In dem Raum hielten sich noch zwei weitere Männer auf. Ein fast kahlköpfiger Techniker saß an einem Tisch vor einem halb zerlegten Telefon. Von dem Telefon führten Drähte zu einem Tonbandgerät. Der Hörer lag neben dem Gerät auf dem Tisch. Irgendwo unter dem Straßenpflaster waren in einem Netz von Telefonkabeln bestimmte Vorkehrungen getroffen worden; das war die einzige Hilfe, zu der sich die Polizei von Amsterdam bereitgefunden hatte. Der dritte Mann in dem Raum war jünger als die beiden anderen, Anfang Dreißig. Sein Gesicht ließ keine Müdigkeit erkennen, sondern war vor Erregung gespannt. Er war ein junger Mann, begierig darauf, zum Schuß zu kommen. Seine Waffe war eine Hochgeschwindigkeitsfilmkamera auf einem Stativ, die mit einem Teleobjektiv ausgestattet war. Er hätte eine andere Waffe vorgezogen.
    Unter ihnen, auf der Straße, tauchte in den leicht getönten Gläsern von Scofields Feldstecher eine Gestalt auf. Sie zögerte an der Telefonzelle und wurde in diesem kurzen Augenblick von der Menge zur Seite gedrängt, vor das reflektierende Glas. Sie wurde zu einer Silhouette, die von einer Art Heiligenschein aus Sonnenlicht umgeben war. Für alle Betroffenen wäre es angenehmer gewesen, wenn das Ziel an der Stelle hätte festgehalten werden können, wo es jetzt stand. Ein auf siebzig Meter eingestellter Spezialkarabiner konnte es schaffen; der Mann am Fenster konnte den Abzug drücken. Er hatte das schon so oft getan. Aber hier kam es nicht auf Bequemlichkeit an. Eine Lektion mußte erteilt und eine weitere gelernt werden. Dies hing vom Zusammentreffen wichtiger Faktoren ab. Die Lehrenden, ebenso wie die Lernenden, mußten ihre jeweiligen Rollen begreifen. Wenn das nicht der Fall war, dann war jede Exekution sinnlos.
    Die Gestalt unten vor der Telefonzelle war ein Mann, Mitte bis Ende Sechzig. Er trug zerdrückte Kleidung, einen dicken Mantel, dessen Kragen er hochgeschlagen hatte, um sich vor der Kälte zu schützen und einen zerbeulten Hut, den er sich tief in die Stirn gezogen hatte. Sein verängstigtes Gesicht zeigte Bartstoppeln; er befand sich auf der Flucht. Für den Amerikaner, der ihn durch den Feldstecher beobachtete, gab es nichts Schrecklicheres als einen alten Mann auf der Flucht. Höchstens vielleicht eine alte Frau. Er hatte beides schon gesehen. Viel öfter, als er sich erinnern wollte.
    Scofield sah auf die Uhr. »Los«, sagte er zu dem Techniker am Tisch. Dann wandte er sich dem jungen Mann zu, der neben ihm stand. »Fertig?«
    »Ja«, kam die Antwort. »Ich hab' das Schwein im Visier. Washington hatte recht; Sie haben es bewiesen.«
    »Ich bin noch nicht sicher, was ich bewiesen habe. Ich wünschte, ich wäre es. Wenn er in der Zelle ist, müssen Sie seine Lippen auf den Film bekommen.«
    »Geht klar.«
    Der Techniker wählte die vereinbarte Nummer und drückte die Knöpfe an dem Tonbandgerät. Dann erhob er sich schnell von seinem Stuhl und reichte Scofield einen Kopfhörer mit Mundstück. »Es klingelt«, sagte er.
    »Ich weiß. Er starrt durchs Glas. Er ist nicht sicher, ob er es hören will. Das stört mich.«
    »Los schon, du Schwein!« sagte der junge Mann mit der Kamera.
    »Er kommt schon«, sagte Scofield, der den Feldstecher und den Kopfhörer fest in den Händen hielt. »Er hat Angst. Jede halbe Sekunde ist für ihn eine lange Zeit, und ich weiß nicht, warum… so jetzt; er öffnet die Tür. Alles still.« Scofield fuhr fort, die Telefonzelle mit dem Feldstecher zu beobachten, und sprach dann leise in das Mundstück. »Dobri dyen, prijatjel…«
    Das Gespräch, das ausschließlich in russischer Sprache geführt wurde, dauerte achtzehn Sekunden.
    »Dosvidanija«, sagte Scofield, und fügte dann hinzu: »Savtra notschyn. Na mostye.« Er hielt sich den Hörer immer noch ans Ohr und beobachtete den verängstigten Mann. Das Ziel tauchte in der Menge unter; der Motor der Kamera kam zum Stillstand. Der Attache ohne Portefeuille ließ den Feldstecher sinken und reichte dem Techniker den Kopfhörer. »Haben Sie alles mitgekriegt?« fragte er.
    »Klar genug für eine Stimmanalyse«, sagte der Mann und sah auf seine Skalen.
    »Und Sie?« Scofield wandte sich zu dem jungen Mann an der Kamera.
    »Wenn ich die Sprache besser verstehen würde, hätte selbst ich von seinen Lippen lesen können.«
    »Gut. Das
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