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Der Marathon-Killer: Thriller

Titel: Der Marathon-Killer: Thriller
Autoren: Jon Stock , Andreas Helweg
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Außenwelt wahrzunehmen. Aber er lief, und darauf kam es an. »Sie haben das Reden also weiterhin dir überlassen?«, fuhr Marchant fort.
    »Unter diesen Umständen hielt man es für das Beste.«
    Sei doch nicht so förmlich, dachte er, obwohl er es besser wusste. Inzwischen waren bestimmt alle Geheimdienste live dabei: Thames House, Cheltenham, Langley.
    Marchant stellte sich ein Luftbild von sich selbst vor,
wie es einer der Satelliten hoch über South London aufnahm. Er malte sich die Läufer aus, winzige Figuren auf Spielzeugstraßen, die sich vor den Polizisten drängten, welche aus dem Nichts aufgetaucht waren. Wenn er in die Szene hineinzoomte, erkannte er, dass es keinen Weg durch das Gedränge gab. Fünfzig Meter weiter hörte er sich aus Leibeskräften schreien, er sei Arzt. Aber niemand beachtete ihn. Was war mit seiner Stimme nicht in Ordnung? Sie klang so schwach, verlor sich im Lärm der Menge, die höhnte und protestierte, weil der Lauf angehalten wurde. Abermals brüllte er, doch seine Stimme war zu leise und über den Tumult seines Atems, der Megafone und des Helikopters kaum zu vernehmen. Pradeep blickte ihn verzweifelt an, als sie langsamer wurden. Und dann piepte Pradeeps Empfänger.
    »Leila, Leila, wir kommen nicht durch!«, rief Marchant ins Telefon. Seine Hände waren schweißnass, und er umklammerte das Handy wie einen Staffelstab. Er hörte, wie sie eindringlich mit anderen Leuten im Hintergrund redete. »Gott, Leila, wir werden langsamer, und vor uns stauen sich fünfhundert Läufer.«
    »Nach links, nach links!«, rief plötzlich jemand, und zwar nicht Leila. Links? Einen Augenblick lang konnte Marchant nur an die blau karierten Stoffschuhe denken, die er als Kind gehabt hatte, mit einem L und einem R auf den jeweiligen Spitzen. Dann zeigte Pradeep nach vorn auf einen Ordner, der hektisch winkte. Er versuchte, sie auf die andere Seite hinüberzulotsen, wo weitere Ordner die Läufer zurückdrängten und eine Gasse bildeten.
    Marchant brachte kein Wort mehr heraus, geschweige denn die Rufe, er sei Arzt, und es war auch gar nicht
mehr nötig. Sie hatten die Straßensperre plötzlich hinter sich und liefen allein weiter, und der Lärm der Menschenmenge blieb rasch hinter ihnen zurück. Das Marathon-Ungetüm hatte sie ausgespuckt.
    Achthundert Meter vor ihnen lag mit wehenden Fahnen und gespenstisch verlassen die Tower Bridge. Marchant lächelte schwach, wenn auch nicht lange. Bis zu der Straßensperre mochte Pradeeps Mission für jeden Beobachter noch durchführbar erschienen sein. Jetzt, als die beiden die leere Straße entlangliefen, war das Selbstmordattentat vereitelt. Marchant konnte nur hoffen, dass Pradeeps Komplize, falls er denn einen hatte, bis zur Tower Bridge abwarten würde, um seine Niederlage abzumildern, indem er wenigstens symbolisch ein Zeichen setzte. Der Botschafter würde nicht sterben, es würde keine Schlagzeilen über ein »Blutbad beim London Marathon« geben, aber ein Selbstmordanschlag gegen eines der Wahrzeichen der britischen Hauptstadt wäre auch schon etwas wert.
    »Leila?«, fragte Marchant atemlos und bemühte sich, das Handy festzuhalten.
    »Wir hören Sie«, sagte ein Mann mit amerikanischem Tonfall.
    »Wo ist Leila?«, rief er. »Holen Sie Leila wieder an den Apparat, hören Sie?«
    »Ist schon gut, Daniel«, sagte eine Stimme. »Sie ist noch hier. Wir haben Sie nur direkt nach Colorado Springs umgeleitet. Sie sprechen jetzt mit mir, Harriet Armstrong, in London.«
    Die Hexe, dachte er, sagte jedoch nichts. Er war zu erschöpft.

    »In einigen Minuten sollen sie langsamer laufen«, fuhr Armstrong fort. »Wie haben zwei Mann vom Bombeneinsatzkommando an der Nordseite der Brücke. Sobald Sie gehen, kommen die zu ihnen. Versuchen Sie, so viel wie möglich aus Pradeep herauszuholen. Zellennamen, Kontakte, wer ihn betreut, alles. In zwei Minuten rufen wir wieder an.«
    Es war ein unheimliches Gefühl, den London Marathon durch verlassene Straßen zu laufen. Eigentlich hatte er leere Räume immer gemocht, den großen weiten Himmel, Berge, das offene Meer. In Städten fühlte er sich eingesperrt, aber hier könnte er leben, wenn es immer so wäre wie jetzt. Plötzlich dachte er an die Thar-Wüste, wo er mit Sebastian auf einem Kamelrücken über Sanddünen geritten war, die Eltern vor ihnen hatten sich lächelnd zu ihnen umgedreht.
    Soweit Marchant sehen konnte, hatte die Polizei einen Korridor von etwa hundert Metern beiderseits der Strecke freigeräumt. Einen
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