Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
wahrscheinlich Bilder von den Zonen G und H, den äußersten, weitflächigsten und gefährlichsten im Labyrinth. Muller verspürte keine Verlangen, diese Bereiche noch einmal aufzusuchen, um die Richtigkeit seiner Annahme im Detail zu überprüfen. Ihm reichte es zu wissen, daß diese Monitore Ausblicke auf bestimmte Stellen in den äußeren Zonen gestatteten. Und das Risiko, wieder in diese Zonen einzudringen, um dort genauer festzustellen, was das für bestimmte Stellen waren, war ihm zu groß. Schirm elf und zwölf schließlich zeigten offensichtlich Ausschnitte von der Ebene, die den Irrgarten rundum umgab. Von der Ebene, auf der das Sternschiff von der Erde gelandet war.
    Kaum ein anderes von den antiken Erbauern zurückgelassenes Gerät im Labyrinth war ähnlich leicht zu verstehen. Auf einem Podium in der Mitte des Zentralplatzes der Stadt befand sich, abgeschirmt von einem Kristallgewölbe, ein zwölfseitiger, rubinfarbener Stein, in dessen Innern ein raffinierter Mechanismus tickte und pulsierte, der an ein Schloß erinnerte. Muller hielt das Ganze für eine Art Uhr, die von nuklearen Schwingungen angetrieben wurde und die Zeiteinheiten verkündete, nach denen sich ihre Erbauer richteten. Periodisch durchlief der Stein Veränderungen: Seine Außenfläche wurde matt und Ton um Ton immer dunkler, bis sie blau oder sogar schwarz war, und er drehte sich auf seiner Achse. Mullers sorgfältige Aufzeichnungen hatten ihm noch keinen Hinweis auf die Bedeutung dieser Veränderungen geben können. Es gelang ihm nicht einmal, die Periodenfolge zu bestimmen. Die Metamorphosen vollzogen sich nicht willkürlich, aber das Muster, dem sie folgten, entzog sich seinem Verständnis.
    An den acht Ecken des Platzes standen acht glatte und spitze Metallpfeiler, die bis in eine Höhe von etwa sechs Metern aufragten. Sie drehten sich im Jahreszyklus in versteckten Lagern, bildeten also anscheinend einen Kalender. Muller wußte, daß sie mit jedem dreißigmonatigen Umlauf des Planeten Lemnos um seinen düster orangeroten Zentralstern eine ganze Umdrehung vollführten. Aber er vermutete einen tief erliegenden Zweck bei diesen schimmernden Pfeilern. Die Suche danach nahm einen großen Teil seiner Zeit ein.
    Die Straßen der Zone A waren mit ordentlichen Käfigreihen aus Streben gesäumt, die aus einem alabasterartigen Gestein gehauen waren, Muller entdeckte keine Möglichkeit, diese Käfige zu öffnen. Doch zweimal während seines hiesigen Aufenthalts hatte er nach dem Erwachen festgestellt, daß die Streben zurückgezogen und im steinernen Straßenbelag verschwunden waren. Die Käfige standen weit offen. Beim ersten Mal waren sie drei Tage lang geöffnet gewesen. Dann waren die Streben, während Muller schlief, wieder ausgefahren worden, hatten die Käfige wieder verschlossen und zeigten keine Naht an den Stellen, wo sie sich gelöst hatten. Als die Käfige sich wenige Jahre später wieder öffneten, ließ Muller sie keinen Moment aus den Augen, um hinter das Geheimnis dieses Mechanismus zu kommen. Aber in der vierten Nacht nickte er kurz, aber trotzdem lange genug ein, um den Schließprozeß wieder zu verpassen.
    Als ähnlich mysteriös erwies sich auch der Aquädukt. Durch die gesamte Länge von Zone B lief eine Rohrleitung, möglicherweise aus Onyx. In regelmäßigen Intervallen von fünfzig Metern waren dort viereckige Wasserspeier angebracht. Hielt man irgendein Gefäß darunter, selbst eine hohle Hand reichte schon, spien sie reines Wasser aus. Aber wenn Muller versuchte, mit einem ausgestreckten Finger in den Wasserspeier einzudringen, fand er dort weder eine Öffnung, noch konnte er irgendwo eine entdecken, sobald das Wasser ausfloß. Es war ganz so, als käme die Flüssigkeit durch einen durchlässigen Steinpfropfen, obwohl Muller das kaum glauben konnte. Doch war er andererseits dankbar für das frische Wasser.
    Es überraschte ihn, daß so viel von der Stadt überlebt hatte. Die Archäologen waren auf Grund ihrer Studien an Artefakten und Skeletten, die man außerhalb des Labyrinths auf Lemnos gefunden hatte, zu dem Schluß gekommen, daß es seit über einer Million Jahren – man sprach sogar von fünf oder sechs Millionen – kein intelligentes Leben mehr auf dieser Welt gab. Muller war nur Amateurarchäologe, aber er besaß genügend praktische Erfahrung, um die Auswirkungen der Kräfte der Zeit zu kennen. Die Fossilien in der Ebene waren eindeutig uralt, und die Schichtungen an den Außenmauern der Stadt bewiesen, daß
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher