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Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)
Autoren: Sloan Wilson
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Komplimente nicht mochte. »Sag mir nicht ständig, dass ich hübsch bin«, hatte sie einmal mit echter Ungeduld in der Stimme zu ihm gesagt. »Das höre ich, seit ich zwölf war. Wenn du mir ein Kompliment machen willst, dann sag mir, ich bin etwas, was ich nicht bin. Sag mir, ich bin eine hervorragende Hausfrau oder dass ich keine eigensüchtige Faser am Leib habe.«
    Er eilte zu ihr. »Hi!«, sagte er. »Schön, nach Hause zu kommen. Wie ist es dir heute ergangen?«
    »Nicht so gut«, erwiderte sie geknickt. »Mach dich schon mal auf was gefasst.«
    »Was ist denn passiert?«, sagte er und küsste sie flüchtig.
    »Barbara hat Windpocken, und die Waschmaschine ist kaputtgegangen.«
    »Windpocken!«, sagte Tom. »Wird man davon sehr krank?«
    »Nein, aber Dr. Spock zufolge ist es unschön. Die beiden anderen werden es wohl auch kriegen. Die arme Barbara, sie fühlt sich ganz elend. Und ich glaube, wir werden eine neue Waschmaschine kaufen müssen.«
    Sie stiegen in ihren alten Ford. Unterwegs hielten sie noch an einem Drugstore, wo Tom für Barbara ein Spielzeuglamm kaufte. Barbara war sechs und wollte nichts als Spielzeuglämmer. Als sie in die Greentree Avenue einbogen, wirkte das Häuschen auf Tom eintöniger denn je, auch musste der Rasen gemäht werden. Janey und sein Sohn Pete liefen ihm entgegen, als er die Haustür öffnete. »Barbara hat Windpocken, und die kriegen wir alle !«, sagte Janey freudig. »Das hat Mutter gesagt!«
    Lucy Hitchcock, die nebenan wohnte und bei den Kindern geblieben war, solange Betsy zum Bahnhof fuhr, saß im Wohnzimmer und sah sich im Fernsehen ein Puppenspiel an. Sie stand auf, um zu gehen, und während Tom sich bei ihr bedankte, sah Janey das Päckchen, das er in der Hand hielt. »Was ist das?«, fragte sie.
    »Ein Geschenk für Barbara, weil sie krank ist.«
    »Hast du mir auch was mitgebracht?«
    »Nein. Du bist ja noch nicht krank.«
    »Das ist gemein !«, sagte Janey und fing an zu heulen. Ohne weitere Erkundigungen anzustellen, heulte Pete ebenfalls.
    »Barbara ist krank !«, sagte Tom.
    »Immer bringst du ihr Geschenke und mir nie«, entgegnete Janey.
    »Das stimmt nicht«, sagte Tom.
    »Kein Fernsehen!«, sagte Betsy. »Wenn ihr Kinder nicht auf der Stelle mit diesem Unsinn aufhört, gibt’s eine Woche lang kein Fernsehen.«
    »Ge mein !«, sagte Janey.
    »Das ist die letzte Chance!«, sagte Betsy. »Sei still.«
    »… mein«, brummelte Janey.
    »Na schön, das war’s«, sagte Betsy. »Eine Woche lang kein Fernsehen!«
    Verstärktes Geheul kam von Janey und Pete, bis Betsy unter der Bedingung nachgab, dass sie beide den weiteren Abend still waren. Trübsinnig folgten die Kinder Tom nach oben. Dort lag Barbara im Bett, das kleine Gesicht schon voller wunder Stellen. »Hast du mir was mitgebracht?«, fragte sie begierig.
    Er gab ihr das Päckchen. »Ein Lamm!«, rief sie erfreut, als sie es ausgewickelt hatte. »Noch ein Lamm!«
    »Ich wollte sowieso kein Lamm«, sagte Janey. »Lämmer sind doof.«
    »Gar nicht!«
    »Ruhe! Kein Wort mehr!«, sagte Betsy, die mit einem Glas Wasser und Medizin für Barbara hereinkam.
    Tom ging nach unten und mixte für Betsy und sich einen Martini. Als Betsy herunterkam, setzten sie sich in die Küche und schlürften dankbar ihre Drinks, während die Kinder im Wohnzimmer spielten und fernsahen. Das Linoleum auf dem Küchenfußboden warf schon Falten. Ursprünglich war es, in den Worten des Handwerkers, ein »helles Flechtmuster« gewesen, aber jetzt war es abgestoßen, und an der Spüle war es bis auf das Holz darunter durchgewetzt. »Wir bräuchten mal neues Linoleum«, sagte Betsy. »Wir könnten es doch selbst verlegen.«
    »Ich habe heute von einer neuen Stelle gehört«, sagte Tom. »Public Relations. United Broadcasting Corporation.«
    »Was zahlen die?«
    »Wahrscheinlich einiges mehr, als ich jetzt bekomme.«
    Einen Augenblick herrschte Stille, dann sagte sie: »Willst du es versuchen?«
    »Vielleicht.«
    Betsy trank ihr Glas leer und goss sich noch etwas ein. »Ich habe dich mir nie als PR -Mann vorgestellt«, sagte sie nüchtern. »Würde dir das gefallen?«
    »Das Geld würde mir gefallen.«
    Betsy seufzte. »Es wäre wunderbar, wenn wir aus diesem Haus rauskönnten«, sagte sie.

3
    Am nächsten Morgen zog Tom seinen besten Anzug an, einen frisch gereinigten und gebügelten grauen Flanell. Auf dem Weg zur Arbeit kaufte er sich an der Grand Central Station noch ein sauberes weißes Einstecktuch und ließ sich die Schuhe putzen.
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