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Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)
Autoren: Sloan Wilson
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In der Mittagspause machte er sich zu einem Besuch bei der United Broadcasting Corporation auf. Beim Gang über die Rockefeller Plaza dachte er höhnisch an die Zeiten, als er und Betsy einander versichert hatten, Geld sei nicht wichtig. Das hatten sie gesagt, als sie heirateten, vor dem Krieg, und während des Krieges hatten sie es in langen Briefen wiederholt. »Wichtig ist, dass Du eine Arbeit findest, die Dir gefällt, und eine, die auch nützlich ist«, hatte Betsy ihm geschrieben. »Das Geld ist nicht wichtig.«
    Zum Teufel damit, dachte er. Wirklich schlimm daran ist, dass wir einander etwas vorgemacht haben. Genauso gut könnten wir auch zugeben, dass wir ein großes Haus und einen neuen Wagen und im Winter Urlaub in Florida und jede Menge Lebensversicherungen wollen. Letztlich lief es darauf hinaus, dass ein Mann mit drei Kindern verdammt nicht das Recht hat zu sagen, dass Geld nicht wichtig ist.
    In der Eingangshalle des Gebäudes der United Broadcasting gab es achtzehn Fahrstühle. Sie waren alle messingfarben und sahen aus, als bestünden sie aus Geld. Die Empfangsdame der Personalabteilung war eine atemberaubend schöne junge Frau mit geldfarbenen Haaren – eine Art Kupfergold. »Ja, bitte?«, sagte sie.
    »Ich möchte mich um eine Stelle in der Public-Relations-Abteilung bewerben.«
    »Wenn Sie sich ins Empfangszimmer setzen wollen, besorge ich Ihnen einen Gesprächstermin«, sagte sie.
    Das Unternehmen hatte es sich zur Regel gemacht, mit allen Anwärtern ein Vorstellungsgespräch zu führen. Jahr für Jahr bewarben sich dort rund zwanzigtausend Leute, die meisten völlig unqualifiziert, und es galt als schlechte Public Relations, sie allzu abrupt abzuweisen. Hinter dem Empfang war ein riesiger Warteraum. Auf dem Fußboden lag ein üppiger weinroter Teppich, darauf standen Dutzende schwerer Ledersessel voller Leute, die nervös Zigaretten rauchten. An den Wänden hingen gigantische Fotografien der führenden Radio- und Fernsehstars des Unternehmens. Sie waren alle jugendlich, sahen gut aus und wirkten unsagbar reich, wie sie so wohlwollend auf die Stellenbewerber hinabsahen. Tom wählte einen Sessel direkt unterhalb des Bildes einer großbusigen Blondine. Er musste nur zwanzig Minuten warten, bis die Empfangsdame kam und ihm sagte, ein Mr Everett empfange ihn. Mr Everetts Büro war ein kleines Zimmer mit Wänden aus opaken Glasbausteinen, nur ungefähr dreimal so groß wie der Beichtstuhl eines Priesters. Everett selbst war ein Mann etwa in Toms Alter und trug ebenfalls einen grauen Flanellanzug. Die Uniform von heute, dachte Tom. Als hätte jemand eine Verordnung erlassen.
    »Wie ich höre, interessieren Sie sich für eine Stelle in der Public-Relations-Abteilung«, sagte Everett.
    »Ich möchte nur die Lage erkunden«, erwiderte Tom. »Ich habe schon eine gute Stelle bei der Schanenhauser-Stiftung, aber ich erwäge eine Veränderung.«
    Everett brauchte weniger als eine Minute, um Tom als »infrage kommend« zu taxieren. Er gab ihm ein langes, gedrucktes Formular mit der Bitte, es auszufüllen, und meinte, er werde in einigen Tagen von der United Broadcasting Corporation hören. Tom verbrachte fast eine Stunde damit, alle Seiten des Formulars auszufüllen, auf denen unter anderem auch eine Auflistung der Kinderkrankheiten verlangt wurde, die er gehabt, und der Namen der Länder, die er besucht hatte. Als er damit fertig war, gab er sie der jungen Frau mit den kupfergoldenen Haaren und klingelte nach einem der Aufzüge, um hinabzufahren.
    Fünf Tage später erhielt Tom ein Schreiben von Everett, dem zufolge ein Vorstellungsgespräch mit Mr Gordon Walker in Zimmer 3672 am kommenden Montag um 11 Uhr angesetzt war. In dem Brief war Mr Walker mit keinem Titel versehen. Tom wusste nicht, ob es wieder ein Routinegespräch werden würde oder ob er tatsächlich für eine Stelle in Betracht kam. Er überlegte, ob er Dick Haver, dem Direktor der Schanenhauser-Stiftung, sagen sollte, dass er sich nach einem anderen Job umsah. Die Gefahr, es ihm nicht zu sagen, bestand darin, dass das Rundfunkunternehmen ihn jederzeit wegen Referenzen anrufen konnte, und dann wäre Dick nicht erfreut darüber, dass Tom sich hinter seinem Rücken um eine andere Stelle bewarb. Es war wichtig, sich Dicks Wohlwollen zu erhalten, weil die Entscheidung des Unternehmens von dem Zeugnis, das Dick ihm ausstellte, abhängen konnte. Dick konnte ihm auf tausenderlei Weise schaden, ohne dass Tom je davon erfuhr. Wenn das Rundfunkunternehmen
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