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Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Titel: Der Mann Aus St. Petersburg: Roman
Autoren: Ken Follett
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noch.
    Sie lief zum Fenster, öffnete es und blickte hinaus. Rauch und Flammen drangen aus den Fenstern unter ihr. Die Mauer des Hauses war mit glatten Steinen verkleidet, und es gab keine Möglichkeit herunterzuklettern. Wenn es nicht anders geht, werde ich springen, überlegte sie; das ist immer noch besser als zu verbrennen. Der Gedanke erfüllte sie mit Entsetzen, sie biß sich wieder in die Faust.
    Sie rannte zur Tür, riß und zerrte und schlug die Klinke. Vergebens. »Hilfe! Kann mir nicht jemand helfen? Schnell, Hilfe!« schrie sie. Flammen züngelten über den Teppich, und ein Loch breitete sich in der Mitte des Fußbodens aus.
    Sie rannte an den Wänden entlang zum Fenster, bereit, hinauszuspringen.
    Sie hörte jemanden schluchzen und merkte erst dann, daß sie es selbst war.

    Die Halle war voller Rauch. Felix konnte kaum etwas sehen. Er hielt sich dicht hinter Waiden und dachte nur immer: Nicht Charlotte, Charlotte darf nicht sterben, nicht Charlotte.
    Sie rannten die Treppe hinauf. Die ganze erste Etage stand in Flammen. Die Hitze war unerträglich. Waiden sprang geduckt durch eine Flammenwand, Felix folgte ihm.
    Waiden blieb vor einer Tür stehen und bekam einen Hustenanfall. Hilflos zeigte er auf die Tür. Felix drückte die Klinke durch, warf sich mit der Schulter gegen die Tür. Sie bewegte sich nicht. Er schüttelte Waiden und schrie ihm zu: »Rennen Sie gegen die Tür!« Er und Waiden – der noch immer hustete – stellten sich auf die der Tür gegenüberliegende Seite des Flurs.
    »Jetzt!« sagte Felix.
    Sie warfen sich gemeinsam gegen die Tür.
    Das Holz splitterte, aber die Tür blieb geschlossen.
    Waiden hatte zu husten aufgehört. Sein Gesicht drückte Elend und Verzweiflung aus. »Noch einmal!« rief er Felix zu.
    Sie stellten sich an die gegenüberliegende Wand.
    »Jetzt!«
    Sie warfen sich gegen die Tür.
    Sie splitterte ein wenig mehr.
    Hinter der Tür hörten sie Charlotte schreien.
    Waiden brüllte wütend und blickte sich suchend um. Dann packte er einen schweren Eichenstuhl. Felix glaubte, er sei zu schwer für Waiden, aber Waiden hob ihn über seinen Kopf und schleuderte ihn gegen die Tür. Die Täfelung begann aufzusplittern.
    In rasender Ungeduld steckte Felix seine Hände in die Spalte und begann, das splitternde Holz aufzubrechen. Seine Finger waren voller Blut.
    Er trat zurück, und Waiden schleuderte den Stuhl noch einmal. Wieder zerrte Felix einige Splitter heraus. Seine Hände waren aufgerissen. Er hörte, wie Waiden etwas vor sich hin murmelte, und stellte fest, daß es ein Gebet war. Waiden schleuderte den Stuhl zum drittenmal. Der Stuhl zerbrach, der Sitz und die Beine lösten sich von der Rückenlehne, aber jetzt war das Loch in der Tür groß genug, daß Felix sich hindurchzwängen konnte.
    Felix drängte sich durch das Loch und fiel ins Schlafzimmer.
    Der Fußboden brannte, und er konnte Charlotte nicht sehen.
    »Charlotte!« schrie er aus Leibeskräften.
    »Hier!« Ihre Stimme kam vom anderen Ende des Zimmers.
    Felix bahnte sich einen Weg zu ihr. Sie saß auf dem Sims des offenen Fensters und atmete ruckweise. Er nahm sie, warf sie sich über die Schulter und trug sie, an der Wand entlang, dort, wo sich das Feuer noch nicht ausgebreitet hatte, zur Tür.
    Waiden streckte die Arme durch das Loch in der Tür, um sie Felix abzunehmen.
    Felix hatte Brandwunden im Gesicht und auf den Händen, und seine Hose hatte Feuer gefangen. Charlottes Augen standen vor Schreck weit offen. Hinter Felix begann der Fußboden einzustürzen. Waiden steckte den Kopf und eine Schulter durch die Öffnung und schob den rechten Arm unter Charlottes Körper. Felix schien zu taumeln. Waiden zog den Kopf zurück, streckte den linken Arm durch die Öffnung und griff Charlotte unter die Achsel. Flammen züngelten um ihr Nachthemd, und sie schrie. Waiden redete ihr sanft zu. Und plötzlich fühlte er ihr ganzes Gewicht auf seinen Armen. Er zog sie durch die Öffnung. Sie wurde ohnmächtig und sank zusammen. Kaum war sie draußen, brach der ganze Fußboden ein. Als Felix in den sich öffnenden Abgrund stürzte, sah Waiden sein Gesicht.
    »Gott erbarme sich deiner Seele«, sagte er flüsternd.
    Dann rannte er mit Charlotte die Treppe hinunter.

    Lydia wurde von Thomson mit eisernem Griff festgehalten, denn nur so konnte er sie daran hindern, in das brennende Haus zurückzulaufen. Sie starrte wie gebannt auf die Tür, erwartete mit Bangen die beiden Männer und Charlotte.
    Eine Gestalt erschien. Wer war
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