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Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Titel: Der Mann Aus St. Petersburg: Roman
Autoren: Ken Follett
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Gesicht in den Händen.
    Natürlich würde er jetzt nach dem Vater fragen. Lydia geriet in Panik. Das konnte sie ihm nicht sagen. Es würde ihn umbringen. Und doch mußte sie es ihm sagen, wollte endlich ihr Gewissen erleichtern.
    Er blickte sie an. Sein Gesicht war erschreckend ausdruckslos. Er sieht wie ein Richter aus, fand sie, wie ein Richter, der unbewegt sein Urteil fällt. Und sie war die Schuldige auf der Anklagebank.
    Er sagte: »Und der Vater ist natürlich Felix.«
    Sie zuckte zusammen.
    Er nickte, schien in ihrer Reaktion die Bestätigung seiner Annahme zu sehen.
    Was wird er tun? überlegte sie voller Furcht. Sie beobachtete sein Gesicht, aber es verriet ihr nichts. Er war plötzlich wie ein Fremder für sie.
    Er sagte: »Ach, du lieber Gott im Himmel, was haben wir getan.« Jetzt brach es aus Lydia heraus: »Er erschien gerade zu der Zeit, als sie begann, ihre Eltern als schwach und prüde zu verachten; auf einmal war er da, voller Leben, Ideen und Auflehnung … wie geschaffen, um ein nach Unabhängigkeit strebendes junges Mädchen zu begeistern . ich weiß das, weil es mir auch einmal so gegangen ist . sie hat ihn also kennengelernt, hat ihn liebgewonnen und ihm geholfen . aber sie liebt auch dich, Stephen, in dieser Beziehung ist sie ganz deine Tochter.«
    Sein Gesicht wirkte steinern. Sie wünschte, er würde fluchen, weinen, sie beschimpfen oder sogar schlagen, aber er saß einfach da und schaute sie mit strengem Richterblick an, und dann sagte er: »Und du? Hast du ihm geholfen?«
    »Nicht absichtlich, nein . aber ich habe ja auch dir nicht geholfen. Ich bin eine schlechte Frau.«
    Er stand auf und faßte sie an den Schultern. Seine Hände waren eiskalt. Er sagte: »Aber du bist noch meine Frau?«
    »Ich wollte es sein, Stephen … ich wollte es wirklich sein.«
    Er berührte ihre Wange, aber sie bemerkte keinerlei Liebe in seinem Gesicht. Angst überfiel sie, und sie sagte:
    »Ich hatte dich gewarnt. Es gab zu viel zu verzeihen.«
    »Weißt du, wo Felix ist?«
    Sie antwortete nicht. Wenn ich es ihm sage, mache ich mich an Felix’ Tod schuldig. Wenn ich es ihm nicht sage, mache ich mich an Stephens Tod schuldig.
    »Du weißt es«, sagte er.
    Sie nickte benommen.
    »Wirst du es mir sagen?«
    Sie blickte ihm in die Augen. Wird er mir je verzeihen, wenn ich es ihm sage?
    Stephen sagte: »Entschließe dich.«
    Sie hatte das Gefühl, der Länge nach in eine Grube zu fallen.
    Stephen hob erwartungsvoll die Brauen.
    Lydia sagte: »Er ist hier im Haus.« »Großer Gott! Wo?«
    Lydia ließ die Schultern sinken. Es war getan. Ein letztes Mal hatte sie Felix verraten. »Er hat sich im Kinderzimmer versteckt«, sagte sie, zutiefst erschüttert.
    Sein Gesicht war plötzlich nicht mehr wie Stein. Seine Wangen röteten sich, und seine Augen funkelten vor Wut.
    Lydia flehte ihn an: »Sage mir, daß du mir verzeihst … bitte.« Er drehte sich um und stürmte aus dem Zimmer.

    Felix rannte durch die Küche und durch das Anrichtezimmer, die Kerze, die Flinte und seine Streichhölzer in der Hand. Süßlicher, ekelerregender Benzingeruch hing in der Luft. Im Speisezimmer sprühte ein dünner, beständiger Strahl aus einem Loch im Schlauch.
    Felix schob den Schlauch ein wenig beiseite, damit das Feuer ihn nicht zu schnell zerstörte, zündete dann ein Streichholz an und warf es auf die mit Benzin durchtränkte Ecke des Teppichs. Flammen schlugen empor.
    Felix grinste und rannte weiter.
    Im Salon nahm er ein Samtkissen und hielt es eine Minute lang an ein weiteres Loch im Schlauch. Dann legte er das Kissen auf das Sofa, setzte es in Brand und warf noch ein paar Kissen dazu. Sie brannten lichterloh.
    Er rannte durch die Halle und über den Flur in die Bibliothek. Hier lief das Benzin aus dem Ende des Schlauchs und verbreitete sich über den Fußboden. Felix riß Bücher aus den Regalen und warf sie in die Pfütze auf dem Boden. Schließlich durchquerte er den Raum und öffnete die Verbindungstür zum Waffenzimmer. Einen Augenblick blieb er auf der Schwelle stehen, dann warf er seine Kerze hinter sich in die Benzinlache.
    Es klang wie das Rauschen einer starke Windbö, und im Bruchteil einer Sekunde stand die Bibliothek in Flammen. Die Bücher brannten sehr gut. Einen Augenblick später fingen die Vorhänge Feuer, dann die Stühle und die Holztäfelung an den Wänden. Immer mehr Benzin lief aus dem Schlauch und nährte das Feuer. Felix brach in lautes Gelächter aus.
    Im Waffenzimmer stopfte er eine Handvoll
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