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Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Titel: Der Mann Aus St. Petersburg: Roman
Autoren: Ken Follett
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gleichen Weg durch das Haus zurück, zog den Schlauch durch die Küche, das Anrichtezimmer, die Speisezimmer, den Salon, die Halle, den Flur und schließlich in die Bibliothek. Der Schlauch war schwer, und er hatte Mühe, die Arbeit lautlos zu erledigen. Ständig lauschte er auf Schritte, aber alles blieb ruhig. Die Bewohner von Waiden Hall waren jetzt bestimmt in ihren Betten. Was aber, wenn jemand herunterkäme, um sich ein Buch aus der Bibliothek zu holen, ein Glas Cognac aus dem Salon oder ein Sandwich aus der Küche?
    In einem solchen Fall wäre das Spiel aus.
    Nur noch ein paar Minuten!
    Er hatte sich besorgt gefragt, ob der Schlauch lang genug sein würde. Zum Glück reichte er gerade noch durch die Tür zur Bibliothek. Felix ging am Schlauch entlang zurück und stieß alle paar Meter mit der scharfen Spitze des Spießes kleine Löcher in das Gummi.
    Dann verließ er das Haus durch die Küchentür und stellte sich in die Garage. Seine Flinte umklammerte er mit beiden Händen, wie einen Knüppel.
    Er wartete, wie ihm schien, eine Ewigkeit.
    Endlich hörte er Schritte. Der Polizist ging an ihm vorbei, blieb stehen, sah den Schlauch im Licht seiner Fackel und stieß ein überraschendes Grunzen aus.
    Felix schlug mit dem Gewehrkolben zu.
    Der Polizist taumelte.
    Felix zischte: »So fall doch, verdammt noch mal!« und schlug wieder mit voller Kraft auf den Mann ein.
    Der Polizist stürzte, und Felix schlug noch einmal mit wilder Inbrunst zu.
    Der Mann rührte sich nicht mehr.
    Felix kehrte zur Benzinleitung zurück und fand die Stelle, wo der Schlauch angesetzt war. Dort befand sich auch der Hahn.

    »Bevor wir heirateten«, fuhr es aus Lydia plötzlich heraus, »hatte ich einen Liebhaber.«
    »Du lieber Gott!« sagte Stephen.
    Sie überlegte: Warum habe ich das gesagt? Ich tat es, weil meine Lügen uns alle unglücklich gemacht haben, und weil damit endlich Schluß gemacht werden muß.
    Sie fuhr fort: »Mein Vater fand es heraus. Er hat meinen Liebhaber einkerkern und foltern lassen. Er versprach mir, die Folter werde sofort abgebrochen, wenn ich mich einverstanden erklärte, dich zu heiraten, und sobald ich mit dir nach England abgereist sei, würde mein Liebhaber aus dem Gefängnis entlassen werden.«
    Sie beobachtete sein Gesicht. Er war nicht so verletzt, wie sie es erwartet hatte, aber er war entsetzt. Er sagte:
    »Dein Vater war ein böser Mensch. Aber weißt du .«
    Jetzt sprach er mit schmerzbewegtem Gesicht. »Eigentlich war ich damals gar nicht in dich verliebt. Ich hielt um deine Hand an, weil mein Vater gestorben war und ich eine Frau brauchte, die die Rolle der Gräfin Waiden spielen konnte. Erst später habe ich mich hoffnungslos in dich verliebt. Ich könnte sagen, ich verzeihe dir, aber es gibt nichts zu verzeihen.«
    Kann es so einfach sein? fragte sie sich. Wird er mir alles verzeihen und mich trotzdem noch lieben? Es schien ihr so, denn angesichts der Todesgefahr, die sie umgab, war alles möglich. So fuhr sie fort: »Ich habe dir noch mehr zu sagen … noch viel Schlimmeres.«
    Sein Gesicht war angsterfüllt. »Sag es mir lieber jetzt gleich.«
    »Ich war . ich war bereits schwanger, als ich dich heiratete.«
    Stephen wurde bleich. »Charlotte!«
    Lydia nickte schweigend.
    »Sie … ist nicht meine Tochter?«
    »Nein.«
    »O Gott.«
    Jetzt habe ich dich getroffen, dachte sie. »Oh, Stephen, es tut mir so leid.«
    Er starrte sie an. »Nicht meine Tochter …«, wiederholte er benommen, »nicht meine Tochter.«
    Sie wußte, was Charlotte ihm bedeutete. Englische Adelsfamilien maßen Abstammung und Blutslinie außergewöhnliche Bedeutung zu. Sie erinnerte sich, wie er Charlotte angeschaut und dabei leise gesagt hatte: »Rippe meiner Rippe, Fleisch meines Fleisches«, und es war der einzige Bibelvers, den sie ihn je hatte zitieren hören. Sie dachte an ihre eigenen Gefühle während der Schwangerschaft. Es muß für Männer das gleiche sein, dachte sie. Manchmal glaubt man, es sei nicht so, aber es mußte so sein.
    Sein Gesicht war grau und eingefallen. Er sah plötzlich viel älter aus. »Warum erzählst du mir das jetzt?« fragte er.
    Ich kann es nicht, sagte sie sich, ich kann ihm nicht zumuten, die ganze Wahrheit zu erfahren, ich habe ihn bereits zu sehr verletzt. Aber es war, als rutsche sie einen Berghang hinunter: sie konnte nicht mehr anhalten. Sie platzte heraus: »Weil Charlotte ihren wirklichen Vater kennengelernt hat und jetzt alles weiß.«
    »Das arme Kind.« Stephen vergrub sein
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