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Der Maler und die Lady (German Edition)

Der Maler und die Lady (German Edition)

Titel: Der Maler und die Lady (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
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formen, die letzte, noch fehlende Darstellung in ihrer Serie der „Emotionen“. Vielleicht hatte sie es nie so sehr wie jetzt gebraucht, diesem Gefühl Gestalt zu verleihen.
    Es war völlig still um sie herum. Sinnend betrachtete sie das Stück Holz. Forschend tasteten ihre Hände über das Material und versuchten Gefühl und Leben darin zu entdecken. Sie dachte an Anatole, an die Nächte mit ihm, seine Berührung, das sehnsüchtige Verlangen. Die Erinnerung schmerzte. Aber auch Leidenschaft konnte schmerzen. Durchdrungen von dieser Erkenntnis begann Lara zu arbeiten.
    Eine Stunde war vergangen. Lara merkte es erst, als die Hände sich verkrampften. Mit einem Seufzer legte sie das Stück Holz nieder und spreizte die Finger. „Es ist ein Anfang“, sagte sie leise zu sich selbst. „Ja, ein Anfang.“ Der Heilungsprozess hatte bereits begonnen.
    „Das ist ‚Die Leidenschaft‘. Ich kann das jetzt schon erkennen.“
    Das Schnitzmesser glitt ihr aus der Hand und fiel scheppernd auf den Arbeitstisch. Entgeistert wirbelte sie herum. Am anderen Ende des Zimmers saß Anatole in einem verblichenen Ohrensessel. Fast wäre sie aufgesprungen und zu ihm gelaufen. Aber sie hielt sich zurück.Er sieht aus wie immer … Aber sonst hat sich alles geändert, dachte sie.
    „Wie bist du hereingekommen?“
    Ihre Stimme klang eisig. Aber er hatte ihre Augen gesehen. In diesem kurzen Augenblick hatten sie preisgegeben, wonach er sich so schmerzlich sehnte. Aber ihm war klar, er durfte nichts überstürzen. „Die Haustür war nicht verschlossen.“ Anatole stand auf und kam zu Lara. „Ich wollte auf dich warten. Als du ins Zimmer kamst, wirktest du so angespannt. Dann hast du sofort zu arbeiten begonnen. Ich wollte dich nicht stören.“ Als Lara immer noch nichts sagte, nahm er das Stück Holz, drehte es und betrachtete es. „Es ist erstaunlich, welch kreative Kraft du besitzt.“ Allein das Holzstück in Händen zu halten, weckte die Sehnsucht nach jenen Gefühlen in ihm, die Lara der unfertigen Schnitzerei eingeflößt hatte. Vorsichtig legte er die Arbeit zur Seite und sah Lara lange aufmerksam an. „Was zum Teufel hast du bloß gemacht? Wolltest du dich zu Tode hungern?“
    „Sei nicht albern.“ Sie erhob sich und machte unschlüssig ein paar Schritte.
    „Ist das auch meine Schuld?“
    Die Frage klang ernst und ruhig. Niemals würde Lara dem Klang dieser Stimme widerstehen können. Sie raffte all ihre Kraft zusammen und drehte sich um. „Hat unsere Haushälterin dich geschickt?“
    Lara war in der Tat viel zu dünn. Waren die wenigen Pfunde einfach so geschmolzen? Wie konnte jemand nur so klein und zierlich sein und dabei so arrogant dreinschauen? Er wollte zu ihr gehen, sie um Verzeihung anflehen. Und diesmal war er sich fast sicher, Lara würde ihm zuhören. Aber so würde sie eine Versöhnung nicht wollen. Anatole steckte die Hände in die Hosentaschen und wippte auf den Absätzen vor und zurück. „Das ist ein hübsches Fleckchen Erde. Ich habe mich ein wenig umgesehen, während du spazieren gingst.“
    „Freut mich, wenn es dir gefällt.“
    „Es sieht alles genauso aus, wie Harriet es geschildert hat.“ Anatole sah Lara an und lächelte. „Das Häuschen liegt abgeschieden und ist gemütlich und bezaubernd.“
    Lara zog eine Braue hoch. Es war leichter, miteinander zu sprechen, wenn ein räumlicher Abstand gewahrt blieb. „Du hast mit Harriet gesprochen?“
    „Ich habe ihr das Porträt gebracht, das ich von dir gemacht habe.“
    Ein Funken Interesse glomm in Laras Augen auf und erstarb. Sie nahm einen kleinen Messingpelikan in die Hand und streichelte ihn abwesend. „Mein Porträt?“
    „Ich hatte es ihr zum Ausstellen in der Galerie versprochen, sobald es fertig war.“ Er beobachtete Lara. Nervös glitten ihre Finger über den Metallvogel. „Es war nicht schwer, das Bild ohne dich zu vollenden. Ich sah dich überall.“
    Rasch wandte Lara sich ab und trat an die große Fensterfront, die den Blick auf den Wald freigab. Bei einem solchen Ausblick bestand keine Gefahr, sich wie in einer Falle vorzukommen. „Harriet hat es im Augenblick nicht leicht.“
    „Die nervliche Belastung lässt sich nicht verleugnen.“… weder bei ihr noch bei Lara, überlegte Anatole. „Es ist sicher besser, dass sie Melanie jetzt nicht sieht. Da Stuart nicht mehr da ist, hält die Galerie sie auf Trab.“ Anatole betrachtete eindringlich Laras Rücken und fragte sich, welchen Ausdruck er in ihrem Gesicht finden würde.
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