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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner
Autoren: Stephen Fry
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also was Sammy und ich dachten, war – warum nicht?«
    »Warum nicht was?« fragte Tom.
    »Warum nicht hier dasselbe machen?«
    »Du meinst ein Untergrundblatt?«
    »Genau.«
    Tom öffnete und schloß den Mund. Sampson grinste.
    »Verdammt und zugenäht«, sagte Adrian. »Das ist echt keine halbe Sache.«
    »Sag ruhig, das ist der Hit.«
    »Diese Typen«, sagte Tom, »die, die in Radley diese Zeitung rausgebracht haben. Was ist mit denen passiert?«
    Sampson polierte seine Brille mit dem Ende der Krawatte.
    »Äh, also das ist der Grund, warum wir mit größter Umsicht vorgehen müssen. Sie wurden beide, ahm, sie wurden rausgeworfen. ›Relegiert‹ ist, glaube ich, der Terminus technicus.«
    »Das heißt, es muß geheim bleiben«, sagte Bullock. »Wir schreiben es in den Ferien. Ihr schickt mir das Material, auf Matrizen getippt. Ich ziehe es auf der Gestetner im Büro meines Vaters ab, bringe es Anfang nächstes Semester wieder mit, und wir verteilen es heimlich in allen Häusern.«
    »Reichlich Resistance-mäßig, ne?« meinte Tom.
    »Nein, nein!« sagte Adrian. »Hört nicht auf Thompson, das ist ein altes Zynikergewächs. Ich bin dabei, Bullochse. Ich bin definitiv dabei. Was für Material willst du denn?«
    »Na, du weißt schon«, sagte Bullock, »aufrührerisch, anti-PublicSchool. Die Sorte. Etwas, was sie ein wenig aufrütteln wird.«
    »Ich hab eine Art
fabliau
vor, der den Laden hier mit einem faschistischen Staat vergleicht«, sagte Sampson, »so
Farm der Tiere
trifft
Arturo Ui
…«
    »Hör auf, Sammy, ich mach mich schon naß, wenn ich bloß dran denke«, sagte Adrian.
    Er schaute zu Tom hinüber.
    »Was hältst du davon?«
    »Na, warum nicht? Könnte witzig werden.«
    »Und denkt dran«, sagte Bullock, »zu
niemandem
ein Wort.«
    »Unsere Lippen sind versiegelt«, sagte Adrian.
Lippen. Versiegelt.
Gefährliche Worte. Keine fünf Minuten vergingen, ohne daß er an Cartwright dachte.
    Bullock holte eine Tabakdose aus der Tasche und sah sich im Zimmer um.
    »Also«, sagte er, »wenn jemand mal bitte die Gardinen zuzieht und ein Räucherstäbchen anzündet, ich habe hier zu eurem Entzücken etwas vierundzwanzigkarätiges, schwarzes, nepalesisches Cannabisharz, das unverzüglich geraucht werden sollte, aufgrund dessen, daß es verdammt guter Shit ist.«

II
     
    Adrian hetzte den Korridor entlang in Richtung Biffens Klassenzimmer. Dr. Meddlar, einer der Schulgeistlichen, hielt ihn an.
    »Zu spät, Healey.«
    »Tatsächlich, Sir? Ich auch.«
    Meddlar packte ihn an der Schulter. »Sie reiten einen halbsbrecherischen Galopp, Healey, wissen Sie das? VorIhnen befinden sich Hecken und Gräben, und Sie sind kurz davor, in hohem Bogen hinzuschlagen.«
    »Sir.«
    »Und ich werde johlen und lachen, während Sie stürzen«, sagte Meddlar mit funkelnden Brillengläsern.
    »Das ist eben Ihre christliche Nächstenliebe, Sir.«
    »Passen Sie auf!« spuckte Meddlar. »Sie halten sich für oberschlau, nicht wahr? Lassen Sie sich gesagt sein: Diese Schule hat keinen Platz für Kreaturen wie Sie.«
    »Warum sagen Sie mir das, Sir?«
    »Wenn Sie es nicht lernen, mit anderen zusammen zu leben, wenn Sie sich nicht anpassen, wird Ihr Leben eine einzige lange elende Hölle werden.«
    »Wird Ihnen das Befriedigung verschaffen, Sir? Wird Ihnen das gefallen?«
    Meddlar starrte ihn an und stieß einen kleinen Lacher aus. »Was gibt Ihnen das Recht, so zu mir zu reden, Bursche? Was in aller Welt, glauben Sie, gibt Ihnen das Recht?«
    Adrian war wütend, als er merkte, daß ihm Tränen in die Augen sprangen. »Gott gibt mir das Recht, Sir, weil Gott mich liebt. Und Gott wird nicht zulassen, daß ein f-f-faschistisches, heuchlerisches Schwein wie Sie mich fertigmacht.« Er wand sich aus Meddlars Griff und rannte den Korridor hinab. »Schwein«, versuchte er noch zu rufen, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken. »Verfluchtes, beschissenes Schwein.«
    Meddlar lachte ihm nach. »Sie sind ein Teufel, Healey, ein richtiger Satansbraten.«
    Adrian rannte weiter und hinaus auf den Schulhof. Alle waren im Vormittagsunterricht. Der Säulengang war leer, der alte Schulraum, die Bücherei, das Haus des Direktors,der Gründerrasen, alles lag verlassen. Das war wieder Adrians Heimat, eine leere Welt. Er stellte sich vor, die ganze Schule stünde hinter den Klassenzimmerfenstern, die Nasen an die Scheiben gequetscht, und starrte ihn da draußen an, wie er über den westlichen Schulhof rannte. Präfekten mit Funkgeräten schritten den Korridor
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