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Der Lilienpakt

Der Lilienpakt

Titel: Der Lilienpakt
Autoren: Corina Bomann
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in der königlichen Garde; nach einer schweren Verletzung allerdings nicht mehr an der Front, sondern als Ausbilder. Er war mit Monsieur de Troisville, dem Kommandanten der Musketiere, befreundet und hatte auch ein gutes Verhältnis zu Alexandre d’Essarts, der die Kadetten befehligte.
    An dem Morgen, als Blanchet auf unserem Schloss eintraf, hatte mein Unterricht bei Maître Nancy gerade begonnen. Ich vernahm das Hufgetrappel seines Pferdes, ließ mich aber nicht ablenken. Ich wusste ja, dass Papas Freund wegen meiner Brüder kam, die schon bald bei den Musketieren eintreten würden.
    Nach unseren Aufwärmübungen, die daraus bestanden, Arme und Beine zu dehnen und die Fechtpositionen noch einmal durchzugehen, verlangte mein Fechtlehrer von mir, eine komplizierte Parade anzuwenden, die er mir am Tag zuvor beigebracht hatte.
    Ich führte meinen Degen so konzentriert, dass ich nicht mitbekam, wie jemand an der Tür des Fechtsaals erschien.
    Erst als sich Nancy zurückzog, salutierte und mir als Zeichen, dass ich alles richtig gemacht hatte, zunickte, machte er sich bemerkbar, indem er applaudierte.
    »Bravo, mein Junge! Das war einer der besten Angriffe, die ich je gesehen habe!«
    Als ich herumwirbelte, erkannte ich Blanchet. Das Bild, das ich in meiner Erinnerung von ihm hatte, schärfte sich nun wieder. Er war ein Mann Ende vierzig, der ein dunkelblaues Wams, schwarze Hosen und einen rot gefütterten Mantel trug. Sein Spitzenkragen war so weiß wie der Schnee im tiefsten Winter. Sein Gesicht, das von grau melierten Locken umrahmt wurde, wirkte hart und wettergegerbt, der Bart an Lippen und Kinn wurde schon weiß. An seiner rechten Wange zog sich eine lange silbrige Narbe entlang. Sie musste ihm in der Zwischenzeit beigebracht worden sein, denn ich konnte mich nicht an sie erinnern.
    Als ich meine Fechtmaske abnahm, sah er mich verwirrt an. »Pardon, ich wusste nicht …«
    »Rodolphe, alter Freund!«, rief Papa. »Ihr habt also meine Tochter gefunden.«
    Blanchet starrte mich überrascht an. Als er mich das letzte Mal zu Gesicht bekommen hatte, war ich vielleicht sieben oder acht Jahre alt gewesen. Nun war ich beinahe schon eine Frau – und erhielt Fechtunterricht. Was ihn wohl mehr verwirrte?
    Mein Vater bedeutete mir, zu ihnen zu kommen. Ich legte den Gesichtsschutz und meine Handschuhe auf den kleinen Tisch, behielt den Degen aber bei mir. Als ich mich nach Maître Nancy umwandte, bemerkte ich, dass er sich gerade diskret zurückzog. Die Fechtstunde war damit wohl beendet. Leider.
    »Ihr erinnert Euch doch sicher noch an Christine«, sagte Papa, als ich Blanchet die Hand reichte.
    Der Mann blickte mich fast schon stechend an. Seine dunkelgrauen Augen wiesen hier und da silberne Sprenkel auf. Mich überlief ein eisiger Schauer. Etwas stimmte mit diesem Mann nicht. Doch ich verbarg meine Gefühle, als ich ihm die Hand reichte. Blanchet deutete einen Handkuss an, dann entgegnete er: »Gewiss erinnere ich mich an die junge Mademoiselle, doch damals war sie noch ein Kind. Mittlerweile ist sie zu einer Frau herangewachsen. Zu einer überraschenden Frau, wenn sie lernt die Klinge zu führen.«
    »Meine Tochter ist eine d’Autreville, was erwartet Ihr also von ihr?« Papa lachte, doch Blanchet zog die Augenbraue hoch.
    »Gewiss ist sie das«, sagte er schließlich. »Aber dennoch erscheint es mir ungewöhnlich, sie in der Fechtkunst zu unterrichten.«
    »Ungewöhnlich ist es auf jeden Fall, aber Körperertüchtigung schadet auch den Damen nicht. Ich habe mir sagen lassen, dass sich der Erwerb einer gewissen Beweglichkeit vorteilhaft auf spätere Geburten auswirkt. Ich möchte, dass meine Tochter so stark wie möglich wird, damit sie ihrem zukünftigen Gatten viele Kinder schenken kann.«
    Als ob ich das wollte! Ich warf Papa einen finsteren Blick zu.
    Neulich im Dorf war ich Zeugin einer Geburt geworden. Madame Elysee, die Gemahlin des Hufschmiedes, hatte ihr drittes Kind geboren. Obwohl die Schreie zum Weglaufen waren, hatte ich durch das offene Fenster der Schlafkammer gespäht.
    Die Frau hatte mit gespreizten Beinen mitten im Raum gestanden und sich an eine Stuhllehne geklammert. Die Schmerzen und die Anstrengung mussten unvorstellbar gewesen sein. Schließlich hatte die Hebamme einen unförmigen, blutverschmierten Klumpen mit Armen und Beinen zwischen den Beinen der Frau hervorgezogen.
    Das sollte nun das Glück jeder Frau sein? Offenbar redete man ihnen das nur ein, weil sie sich sonst weigern würden zu
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