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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht
Autoren: Ruth Rendell
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ihr nicht buchstäblich den Mann gestohlen, nachdem Gemma erst ein paar Monate verheiratet war? Und jetzt, noch schlimmerer Frevel, hatte sie ihr Kind gestohlen.
    Er sah, wie sie langsam aus dem Wasser aufstand und, Johns Hand in der ihren, den Sandstreifen überquerte, der sie von Leonie West trennte.
     
    Die Tänzerin hielt ihre Stellung, ja sie hob den Kopf mit einer pathetischen Trotzgebärde und ballte die kleinen Hände, die Mrs. Mitchell beim Blättersammeln beobachtet hatte, zu Fäusten. Burden trat einen Schritt vor und fand seine Stimme wieder.
    »Hör mal, Gemma, das beste wäre...«
    Was hatte er sagen wollen? Daß es das beste für alle war, ruhig zu bleiben, die Sache sachlich durchzusprechen? Er erstarrte. Nie hätte er für möglich gehalten - hatte er sie je wirklich gekannt? -, daß sie dies tun würde, das Allerbeste, was sie in seinen Augen beinah zur Heiligen machte.
    Ihr Kleid war durchnäßt. Merkwürdigerweise mußte Burden an ein Bild denken, das er einmal gesehen hatte, Vorstellung eines Künstlers, wie die See ihre Toten hergibt. Mit einem sanften, zärtlichen Blick auf den Jungen ließ sie seine Hand los und hob die von Leonie West hoch. Sprachlos blickte die andere sie an, Gemma zögerte nur einen Lidschlag, dann nahm sie die Frau in die Arme.

23
    »Es wäre nicht gutgegangen, Mike. Das weißt du so gut wie ich. Ich bin nicht konventionell genug für dich, nicht respektabel, nicht gut genug, wenn du so willst.«
    »Ich glaube, du bist zu gut für mich«, sagte Burden.
    “Ich habe mal gesagt, daß John - wenn man John je wiederfindet, würde ich dich nicht heiraten. Ich glaube, das hast du nicht richtig verstanden. Es ist besser für uns beide, wenn ich jetzt das tue, was wir vorhaben, nämlich bei Leonie zu leben. Sie ist so einsam, Mike, und sie tut mir so entsetzlich leid. Auf die Weise kann ich London und meine Freunde behalten, und sie kann einen Anteil an John haben.«
    Sie saßen in der Halle Hotels, in dem sie zusammen gewohnt hatten. Burden fand, sie hatte nie so wunderschön ausgesehen, die helle Haut von ihrer inneren Freude wie erleuchtet, und das flammende Haar um die Schultern. Und auch nie so fremdartig wie in dem goldenen Kleid, das Leonie West ihr geliehen hatte, weil ihr eigenes vom Salzwasser verdorben war. Ihr Gesicht sah süßer und sanfter aus denn je.
    »Aber ich liebe dich«, sagte er.
    »Mein guter Mike, bist du sicher, daß du nicht nur die Nächte im Bett mit mir liebst? Bist du jetzt schockiert?«
    Er war schockiert, aber nicht allzusehr, nicht im mindesten so, wie er es noch vor gar nicht allzu langer Zeit gewesen wäre. Sie hatte ihn eine Vielzahl von Dingen gelehrt. Sie hatte ihm seine education sentimentale gegeben.
    “Wir können gute Freunde bleiben«, sagte sie. »Du kannst mich bei Leonie besuchen kommen. Du kannst all meine Freunde kennenlernen. Wir können auch mal zusammen wegfahren, und ich werde so anders sein, jetzt, wo ich glücklich bin. Du wirst sehen.«
    Er sah es. Es ließ ihn beinah schaudern. Zu ihr gehen, wenn ihr Kind da war? Seinen eigenen Kindern erklären müssen, daß er eine - Geliebte hatte?
    »Es würde nicht gutgehen«, sagte er klar und fest. »Ich weiß, daß es nicht gutgehen würde.«
    Sie sah ihn sehr zärtlich an. »Du wirst noch um andere Frauen werben...«, zitierte sie halb singend, »und ich werde mit anderen Männern schlafen...«
    Er kannte seinen Shakespeare nicht besser als seinen Proust. Sie gingen hinaus zur Promenade, wo Leonie West mit John in ihrem roten Wagen wartete.
    »Komm und sag ihm guten Tag«, sagte Gemma.
    Aber Burden schüttelte den Kopf. Zweifellos war es besser so, zweifellos würde er eines Tages dem Kind dankbar sein, das ihn seiner Liebe und seines Glücks beraubt hatte. Aber nicht jetzt, noch nicht. Einen Feind und Dieb begrüßt man nicht freundlich.
    Sie blieb unter der Straßenlaterne stehen, wandte sich ihm zu, dann wieder dahin, wo John war. Zerrissen nannte man das wohl, dachte er bei sich, doch es gab wenig Zweifel, wer dies Tauziehen gewonnen hatte. Dieses Licht in ihren Augen war nie dagewesen, wenn sie ihn angesehen hatte, war auch jetzt nicht da, erstarb, sobald sie nicht mehr in Richtung auf das Auto blickte. Sie trennte sich von ihm nicht mit Bedauern, nicht mit Schmerzen, sondern mit Höflichkeit.
    Stets umsichtig und bereit, die Konventionen anderer zu respektieren - denn sie befanden sich auf einem öffentlichen Platz, und Leute gingen vorbei -, streckte sie ihm die Hand hin.
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