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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht
Autoren: Ruth Rendell
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rufen hörte, wußte ich es. Danach mußte ich nur noch einige simple Dinge überprüfen.«
    »Ich tappe dermaßen im dunkeln«, sagte Crocker, »daß ich nicht weiß, was ich sagen soll.«
    Einen Augenblick genoß Wexford das Gefühl, den Doktor im dunkeln tappen zu sehen. Dann sagte er: »Eileen ist ein relativ häufiger Name. Warum sollte Mrs. Rushworth die einzige hier in der Gegend sein, die so heißt? Da fiel mir ein, daß noch jemand mir erzählt hatte, er habe zwei Vornamen, die eine Hälfte der Freunde nenne sie beim einen, die andere beim zweiten. Ich hatte keine Lust, mich persönlich bei ihr zu erkundigen. Ich wandte mich auf dem Dienstweg ans Einwohnermeldeamt. Und da erfuhr ich, daß Mrs. Margaret Eileen Fenn Tochter des James Collins und seiner Frau Eileen Collins, geborene Scott, ist.
    Zweifellos waren die Scotts im Februar bei ihr in Saltram Lodge, ebenfalls ein Haus aus dem achtzehnten Jahrhundert. Sie waren bei ihr zu Besuch, und am 25. Februar, nachdem sie sich von Mrs. Fenn, die nach ‘Equita’ zur Arbeit mußte, verabschiedet hatten, fuhren sie mit dem Taxi nach Stowerton, um den Dreiuhrfünfundvierzig nach Victoria zu erreichen.«
    Crocker hob die Hand, um Wexford zu bremsen. »Jetzt erinnere ich mich. Natürlich. Es war der arme alte Scott, der den Schlaganfall auf dem Bahnsteig hatte. Ich war zufällig auf dem Bahnhof, eine Fahrkarte kaufen, und man schickte nach mir. Aber das war nicht Viertel vor vier, Reg. Eher gegen sechs.«
    »Genau. Mr. und Mrs. Scott hatten den Dreiuhrfünfundvierzig nicht erreicht. Als sie zum Bahnhof kamen, merkten sie, daß sie einen Koffer bei Mrs. Fenn vergessen hatten. Du müßtest das wissen, denn du selbst hast es mir erzählt.«
    »Hab ich.«
    »Scott war damals ein kräftiger, rüstiger Mann. Dachte er jedenfalls. Ein Taxi war nicht greifbar - also, das ist jetzt reine Spekulation von mir-, und so beschloß er, zu Fuß zurück zur Mill Lane zu gehen. Dazu brauchte er ungefähr eine Dreiviertelstunde. Doch das kann ihn nicht weiter beunruhigt haben. Bis sechs Uhr sechsundzwanzig hielt kein weiterer Zug in Stowerton. Ins Haus zu gelangen war keine Schwierigkeit, denn Mrs. Fenn schließt ihre Hintertür nie ab. Vielleicht hat er sich noch eine Tasse Tee gemacht, vielleicht hat er sich auch nur ausgeruht. Das werden wir nie erfahren. Wir müssen uns jetzt wieder Stella Rivers zuwenden.«
    »Sie ist nach Saltram Lodge gegangen?«
    »Natürlich. Es war nur logisch. Auch sie wußte von der unverschlossenen Hintertür und daß ihre Freundin und Lehrerin, Mrs. Fenn, Telefon hatte. Es regnete, es wurde dunkel. Sie kam in die Küche und stieß dort auf Scott.«
    »Und Scott hat sie erkannt?«
    »Als Stella Rivers, ja. Da sie ihren wirklichen Namen nie wußte, sprach Mrs. Fenn manchmal als Rivers, manchmal als Swan von ihr. Und sie hatte sie Scott, ihrem Onkel, gegenüber sicher erwähnt, denn sie war stolz auf Stella.
    Sobald sie sich von ihrer Überraschung, jemanden im Haus anzutreffen, erholt hatte, muß Stella gefragt haben, ob sie telefonieren dürfe. Was hat sie gesagt? Wahrscheinlich etwas wie: ‘Ich würde gern meinen Vater anrufen’ - sie pflegte Swan oft als ihren Vater zu bezeichnen -,’Mr. Swan in Hall Farm. Wenn er kommt, dann kann er Sie nach Stowerton zurückfahren.’ Nun haßte Scott schon allein Swans Namen. Er hatte nie vergessen, und die Möglichkeit eines zufälligen Zusammentreffens hatte ihn immer mit Entsetzen erfüllt. Er muß sich dann bei Stella vergewissert haben, daß sie Ivor Swan meinte, und ihm wurde klar, daß er sich Aug in Aug mit der Tochter - oder zumindest mußte er das annehmen - des Mannes befand, der sein eigenes Kind hatte sterben lassen, als es im gleichen Alter wie dies hier war.«

22
    Als sie von ihrer Ausfahrt wieder nach Eastover zurückkamen, war die Sonne untergegangen, hatte mit langen feurigen Streifen die purpurfarbenen Wolken zerteilt und die See in kupfriges Gold getaucht. Burden lenkte den Wagen auf einen leeren Parkplatz oben auf den Felsen, und sie saßen schweigend und schauten aufs Wasser und den Himmel und einen einzelnen Kutter, ein winziger, wandernder Punkt am Horizont.
    Gemma hatte sich während dieser Tage mehr und mehr in sich zurückgezogen, und manchmal konnte Burden sich des Gefühls nicht erwehren, daß ein Schatten neben ihm herging, mit ihm im Auto saß oder nachts neben ihm im Bett lag. Sie redete kaum. Es war, als sei sie die personifizierte Traurigkeit oder, noch schlimmer, eine Sterbende.
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