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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht
Autoren: Ruth Rendell
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Sie wollte sterben, das war ihm klar, wenn sie es ihm auch nicht direkt gesagt hatte. Am Abend zuvor hatte er sie in der Badewanne gefunden, in erkaltendem Wasser, die Augen geschlossen, den Kopf halb ins Wasser geglitten, und obwohl sie es abstritt, wußte er, daß sie eine halbe Stunde vorher Schlaftabletten genommen hatte. Und heute, als sie unterwegs waren, hatte er sie nur im letzten Moment davor bewahren können, direkt vor einem heranbrausenden Auto über die Straße zu laufen.
    Morgen mußten sie nach Hause. In einem Monat waren sie verheiratet, und vorher würde er sich um die Versetzung zu einer der Einheiten der Metropolitan Police bemühen müssen. Das hieß neue Schulen für die Kinder finden, ein neues Haus. Was für ein Haus würde er in London für den Betrag bekommen, den ihm sein Bungalow in Sussex einbrachte? Doch es mußte sein. Der gemeine, unentschuldbare Gedanke, daß er jedenfalls nur zwei Kinder ernähren mußte und nicht drei, und daß seine zukünftige Frau in ihrem Zustand nicht wilde Parties feiern oder das Haus mit ihren Freunden bevölkern würde, trieb ihm die Schamröte ins Gesicht.
    Er schaute vorsichtig zu Gemma hinüber, doch sie starrte aufs Meer hinaus. Dann folgte er ihrem Blick und sah, daß der Strand nicht länger einsam dalag. Rasch startete er den Wagen und fuhr rückwärts über den Platz zur Straße, landeinwärts. Er sah sie nicht wieder an, aber er wußte, daß sie weinte, daß die Tränen ungehemmt über ihre dünnen, blassen Wangen liefen.
     
    “Scotts erster Gedanke«, sagte Wexford nach einer Pause, »war wahrscheinlich, sie einfach stehenzulassen, zu fliehen, den Weg zurück, den er gekommen war, weg von diesen Swans. Man sagt, Mordopfer - doch dies war kein wirklicher Mord - hätten ihr Schicksal selbst herausgefordert. Hat Stella ihn darauf hingewiesen, daß es draußen goß, daß er mit ihnen mitfahren könne? Hat sie womöglich gesagt: ‘Ich rufe nur schnell an, dann ist er in einer Viertelstunde da’? Jedenfalls ist in dem Moment wieder alles über Scott hereingebrochen. Er hatte es nie verwunden. Er mußte sie daran hindern, das Telefon zu benutzen, und dazu mußte er sie festhalten. Zweifelsohne hat sie geschrien. Wie er sie gehaßt haben muß, wenn er daran dachte, was sie dem Mann bedeutete, den er so verabscheute. Ich glaube, das war es, was ihm die Kraft gab, sie allzu fest zu halten, allzu fest mit seinen alten, kräftigen Händen ihren Hals zu packen...«
    Der Doktor sagte gar nichts, er starrte Wexford nur noch gespannter an.
    »Vom Cottage der Rushworths bis Saltram House braucht man zu Fuß hin und zurück eine halbe Stunde«, resümierte der Chief Inspector. »Von Saltram Lodge ist es näher. Und Scott wußte von den Brunnen und Zisternen. Das hatte ihn sicher interessiert. Er war ja Installateur. Er trug das tote Kind zum Italienischen Garten hinauf und legte es in die Zisterne. Dann ging er zurück zum Häuschen und holte seinen Koffer. Ein vorbeikommender Autofahrer nahm ihn mit zurück nach Stowerton. Sich seinen Zustand vorzustellen fällt einem nicht allzu schwer.«
    “Wir wissen«, ergänzte Crocker leise, »daß er einen Schlaganfall bekam.«
    »Mrs. Fenn wußte nichts davon, ebensowenig seine Frau. Letzten Mittwoch hatte er einen zweiten Schlaganfall, und der hat ihn umgebracht. Ich glaube - ich fürchte -, es war mein Besuch und die Vermutung, wer ich wirklich war, was ihn tatsächlich letzten Endes getötet hat. Seine Frau konnte sich keinen Reim auf das machen, was er sagte, bevor er starb. Sie glaubte, er phantasierte. Sie hat mir die Worte wiederholt. ‘Ich habe sie zu fest gehalten. Ich mußte an meine Bridget denken.’«
    »Aber was, zum Teufel, willst du jetzt machen? Du kannst einen Toten nicht anklagen.«
    »Das liegt bei Griswold«, sagte Wexford. »Irgendein unverbindlicher Schmus für die Presse, nehme ich an. Die Swans sind informiert, ebenso Swans Onkel, Group Captain wie hieß er noch. Nicht, daß er die ausgesetzte Belohnung zahlen müßte. Wir werden keinen verhaften.«
    Der Doktor sah nachdenklich aus. »Du hast kein Wort über John Lawrence verloren.«
    »Weil ich dazu kein Wort zu sagen habe«, erwiderte Wexford.
     
    Ihr Hotel hatte keinen Hintereingang, so war es schließlich doch nicht zu umgehen, daß sie über Eastovers kleine Promenade fuhren. Burden hatte inständig gehofft, daß in der Zwischenzeit, in der Dämmerung, der Strand verlassen wäre, doch die beiden, die Gemma die Tränen in die Augen
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