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Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)

Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Leuchtturmwärter: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Camilla Läckberg
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gelegen, die sie anscheinend nicht richtig zugemacht hatte. Annie wollte ihm alles erklären, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken. Eigentlich gab es keine Entschuldigung, und Matte würde sie sowieso nie verstehen.
    Sie stand barfuß auf dem kalten Holzfußboden, nur in die Decke gewickelt, und sah, wie er die Tür zu Sams Zimmer öffnete. Voller Entsetzen drehte er sich um, zwang sie, sich anzuziehen, und sagte, sie müssten sofort aufs Festland und Hilfe holen. Es ging alles so schnell, dass sie ihm willenlos folgte. Im Traum, der keine Wirklichkeit gewesen war, hatte sich alles in ihr dagegen gesträubt, Sam allein auf der Insel zurückzulassen. In Wahrheit waren sie schweigend mit Mattes Boot ans Festland gefahren.
    Sie fuhren mit seinem Auto. Ihr Kopf war seltsam leer. All ihre Gedanken konzentrierten sich nur auf Sam. Würde wieder etwas passieren, wodurch sie ihn womöglich verlor? Ohne darüber nachzudenken, hatte sie ihre Handtasche mitgenommen, im Auto fühlte sie die schwere Pistole darin.
    Als sie auf das Mietshaus zugingen, begann es in ihren Ohren zu rauschen. Wie durch einen Nebel sah sie Mats die Tüte in einen Mülleimer werfen. Im Wohnungsflur griff ihre Hand nach dem kalten Metall. Er drehte sich nicht um. Wenn er es getan und sie in seine Augen gesehen hätte, wäre sie vielleicht zur Besinnung gekommen. Aber er ging vor ihr durch den Flur, ihre Hand hob sich, ihre Finger umklammerten Kolben und Abzug. Ein Knall, ein dumpfer Schlag. Dann war es still.
    Zurück zu Sam. Das war ihr einziger Gedanke gewesen. Sie war zum Kai gegangen, mit Mattes Boot hinaus auf die Insel gefahren und hatte die Nussschale anschließend treiben lassen. Nun hielt sie nichts mehr davon ab, mit Sam zusammen zu sein. Der Nebel ergriff wieder Besitz von ihrem Bewusstsein. Alles ringsum verschwand, und übrig blieben nur Sam, Gråskär und der Gedanke ans Überleben. Außerhalb dieses geschützten Bereichs herrschte Leere.
    Annie saß auf dem Bett und starrte vor sich hin. In ihre Netzhaut war ein Bild gebrannt, Sam an der Hand der Frau. Jetzt würden sie sich um ihn kümmern. Das hatten sie ihr versprochen.

Fjällbacka 1875
    M utter!«
    Emelie hielt mitten in der Bewegung inne. Dann ließ sie den Topf auf den Fußboden fallen und hastete hinaus. Die Sorge flatterte wie ein kleiner Vogel in ihrer Brust.
    »Gustav, wo bist du?« Sie ließ ihren Blick hin und her schweifen.
    »Komm, Mutter!«
    Das leise Rufen kam vom Strand. Sie raffte das schwere Wollkleid zusammen und hastete über den Hügel in der Mitte der Insel. Von da oben sah sie ihn. Er saß unten am Ufer und hielt sich weinend den Fuß. Sie rannte hin und fiel neben ihm auf die Knie.
    »Das tut weh«, schluchzte er verzweifelt und zeigte auf seinen Fuß. Eine große Glasscherbe hatte sich in seine Fußsohle gebohrt.
    »Pscht …« Während sie überlegte, was sie tun sollte, versuchte sie, ihren Sohn zu beruhigen. Die Scherbe steckte tief im Fleisch. Sollte sie sie sofort herausziehen oder lieber damit warten, bis sie Verbandszeug hatte?
    Sie entschied sich rasch.
    »Wir gehen zu Vater.« Sie blickte zum Leuchtturm empor. Karl war vor einigen Stunden hinaufgegangen, um Julian zu helfen. Normalerweise bat sie ihn nicht um Hilfe, aber nun wusste sie keinen anderen Rat.
    Sie nahm das immer noch bitterlich weinende Kind auf den Arm. Wie einen Säugling hielt sie ihn und achtete besorgt darauf, den Fuß nicht zu berühren. Es war gar nicht mehr so einfach, Gustav zu tragen, er war groß geworden.
    Als sie zum Leuchtturm kamen, rief sie Karls Namen, erhielt aber keine Antwort. Die Tür stand offen, vermutlich zum Lüften. Die Hitze im Turm war unerträglich, wenn die Sonne darauf schien.
    »Karl«, rief sie. »Kannst du herunterkommen?«
    Es war keine Seltenheit, dass er sie ignorierte. Sie musste sich also die Mühe machen, hinaufzugehen. Da sie Gustav nicht die steile Treppe hinauftragen konnte, legte sie ihn behutsam auf die Erde und streichelte seine Wange.
    »Ich bin gleich wieder da. Ich hole nur schnell den Vater.«
    Er sah sie vertrauensvoll an und steckte sich den Daumen in den Mund.
    Emelie keuchte bereits von der kurzen Strecke, die sie mit Gustav auf dem Arm zurückgelegt hatte. Nun bemühte sie sich, auf der Treppe gleichmäßig zu atmen. Auf der obersten Stufe blieb sie stehen, um Luft zu holen. Dann hob sie den Blick. Zuerst begriff sie gar nicht, was sie sah. Warum lagen die beiden im Bett? Und wieso hatten sie nichts an? Sie stand wie angewurzelt da
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