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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf
Autoren: Glen Duncan
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mich ein paar Meter entfernt auf die Hinterläufe. Dann ging mir auf, dass ich mir keine Gedanken darüber gemacht hatte, was nun geschehen sollte, nachdem ich ihn von seinen Angreifern befreit hatte. Wenn er davongelaufen, -gegangen oder -gekrochen wäre, hätte ich ihn wohl gelassen, nehme ich an, auch wenn das bedeutet hätte, dass ich sofort hätte fliehen müssen (das nächtliche Werk war eh schon schlimm genug, jetzt, da ich vor meiner eigenen Haustür gemordet hatte), aber das tat er nicht. Er mühte sich auf die Füße, tat drei, vier Schritte und brach dann bewusstlos zusammen.
    Der Himmel verriet mir, dass es vielleicht noch eine halbe Stunde bis Sonnenaufgang war. Alles in allem hatte ich gar kein so großes Chaos angerichtet. Ich stopfte die Leichen und die Eingeweide in den Cortina. Der Ärmel von Dez’ Hemd diente als Zündschnur, den ich mit einem Stock in den Tank stopfte. Dank des Zufalls, der das Universum antreibt, fand ich in Terrys Tasche ein Ronson-Feuerzeug. Ich schnappte mir Harley, legte ihn mir über die Schulter, zündete den Ärmel an und rannte los.
    Der Rest ist, wie man so sagt, Geschichte.

5 .
    Ich rief Harley aus der Lobby des Zetter an.
    »Die wissen nichts von mir«, erklärte er. »Ich habe gerade einen Anruf von Farrell bekommen. Die wussten nicht, dass du hier bist. Die sind nicht dir gefolgt, sondern dem anderen Kerl. War noch nicht mal die Londoner Truppe. Franzosen. Ich hätte zu Hause
im Bett
sein können, ich hoffe, das ist dir klar.«
    Paul Cloquet, mein junger Mann, hatte seit einem Monat unter Beobachtung der Pariser WOKOP gestanden. »Ein Leichtgewicht«, meinte Harley. »Ist einmal zu oft am falschen Ort gesichtet worden. Außerdem hatte er offenbar was mit Jacqueline Delon.«
    Jacqueline Delon ist die Erbin des Delon-Media-Vermögens, eine zwanghafte Okkultistin und grenzwertig Verrückte. Vor zehn Jahre habe ich sie mal
in natura
gesehen, als sie aus dem Burj Al Arab in Dubai kam. Da dürfte sie Mitte dreißig gewesen sein, eine schlanke, makellos geschminkte Rothaarige in einem enganliegenden grünen Kleid, mit großer Sonnenbrille und einem strichlippigen Mund, der auf äußerliches Amüsement über innere Langeweile hindeutete. Ich hatte an verlockenden Espressoatem und leichte Verstopfung gedacht, dazu eine Psyche voller unterdrückter Freud’scher Maden. Ihr Vater, der mit Schiffen angefangen hatte, war ein weithin bekannter Lüstling auf den Spuren de Sades. Angeblich hatte sie nicht nur sein Vermögen geerbt, sondern auch seinen Geschmack. »Der Franzose hatte überhaupt nichts auf der Insel verloren«, fuhr Harley fort. »Er sollte anrufen und uns ab Portsmouth die Angelegenheit übernehmen lassen. Aber so sind die Franzosen. Die halten uns alle für inkompetente Schwuchteln.«
    »Du meinst: ›Die halten uns
alle
für inkompetente Schwuchteln.‹«
    »Sehr witzig. Keine Ahnung wie, aber Cloquet hat dich anscheinend in Paris beobachtet und ist dir hierher gefolgt. Hat wohl gedacht, er könnte sich einen Namen machen, wenn er einen großen Skalp heimbringt. Schätze, er ist ein abgelehnter WOKOP -Anwärter mit einer echten Macke. Der französische Agent ist ihm gefolgt und hat dich sozusagen indirekt mitverfolgt.«
    »Nicht möglich«, entgegnete ich. »Wenn dieser Blödmann mir in Paris gefolgt wäre, hätte ich ihn bemerkt. Er ist nicht sonderlich gut.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich.«
    Eiswürfel klirrten in einem Glas. Harley trank und schluckte. Rings um mich herum war die Lobby des Zetter warm und sanft ausgeleuchtet. Das Gemurmel und Gläserklingen in der Bar wirkten sehr beruhigend. An der Rezeption standen zwei adrett gekleidete junge Frauen. Sie hatten mich angelächelt, als ich hereinkam, so als sei mein Eintreffen eine nette erotische Überraschung. Bei der Zivilisation geht es eigentlich nur darum, tatsächlich in ein hochklassiges Hotel einchecken zu können. »Tja, Jacob, irgendwie hat er es geschafft, das kann ich dir versichern. Ich habe gerade mit Farrell im Hauptquartier telefoniert. Der französische Agent hat dich identifiziert und uns – zu spät – benachrichtigt. Glaub mir, die WOKOP weiß, dass du hier bist, aber erst seit zehn Minuten.«
    Ich war nicht überzeugt davon, aber Harley klang erschöpft, und ich brachte es nicht über mich, ihn noch weiter zu beunruhigen. Vielleicht war ich in Paris tatsächlich zu beschäftigt gewesen. Eine meiner Firmen war in eine große Übernahme verwickelt, und ich hatte wohl mehr Umgang mit
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