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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition)
Autoren: Adam Nevill
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auf seinen immer schmaler werdenden Schultern lasteten. Insgesamt hatten sein letzter selbst finanzierter Film und seine nicht bezahlte Miete sich auf eine Schuld von dreißigtausend Pfund summiert, die sich auf verschiedene Kreditkarten und Darlehen aufteilte. Außerdem drohte irgendwann noch eine Steuernachzahlung. Das alles verdarb ihm in jedem Augenblick des Tages die Laune. Er war längst nicht mehr in der Lage, sich zu entspannen, was noch verheerender war als die Tatsache, dass er keinen Spaß mehr am Leben hatte. Gerade das war etwas, fiel ihm jetzt auf, was solche Firmen wie Revelation Productions einem verhießen: Glück. Das drängten sie einem geradezu auf. Vielleicht sollte er sich also mit einer DVD über tantrischen Sex gesundstoßen.
    »Wie kommen Sie denn darauf, dass ich mich für so eine Sekte interessieren könnte?«
    »Ich habe mir Ihre Arbeiten angesehen. Sie sind von einer erfrischenden Offenheit. Sie beschäftigen sich mit Nischenthemen, mit dem Abseitigen, mit dem Vergessenen. Und mit dem Unerklärlichen. Sie beuten Ihre Themen nicht aus. Das mag ich an Ihnen, Kyle. Sie sind nicht auf pure Sensation aus. Sie sind offen für Ihre Themen. Deshalb habe ich mich gefragt, ob wir nicht zusammenarbeiten könnten. Ich bin sehr interessiert an Ihrer Herangehensweise. An Ihrer Vision.«
    Kyle gelang es, nach außen hin jedes Anzeichen davon zu unterdrücken, aber er fühlte sich schon etwas geschmeichelt. »Wenn ich einen Film mache, verfolge ich immer einen Plan. Ich versuche, eine Subkultur zu erfassen und zu verstehen. Oder ich bemühe mich, eine Geschichte ehrlich und wahrhaftig zu erzählen. So wie diejenigen, die mir davon berichten, sie erlebt haben. Ich habe bisher immer nur Filme über Themen gemacht, die mich wirklich interessiert haben. Geschichten, die mich faszinierten, die bislang noch niemand erzählt hat oder jedenfalls nicht gut genug. Dieses Zeug, das die Mainstream-Medien vermeiden oder sowieso nicht kapieren. Und ich mache keine Kompromisse, wenn ich erst mal herausgefunden habe, was der richtige Ansatz ist, um sich mit einem Thema zu befassen. Wenn ich dabei vermeiden kann, mich mit Hollywood und der ganzen Filmindustrie herumzuquälen, dann ist mir das nur recht. Künstlerische Halbheiten, Ideenklau und teure Anzüge interessieren mich nicht. Davon hatte ich genug. Damit bin ich durch.« Das war als verschleierte Warnung an seinen potenziellen Auftraggeber gedacht. Man hatte ihm gesagt, dass es unklug sei, die eigene Verbitterung bei solchen Zusammenkünften mit Produzenten durchschimmern zu lassen, weil es unprofessionell sei. Er hatte sich längst entschlossen, derartige Ratschläge zu ignorieren.
    Max’ frisierte Augenbrauen hoben sich so weit wie nur möglich, aber der Rest seines Gesichts blieb unbewegt. Offensichtlich hatte er sich liften lassen. Das dünne Lächeln, davon war Kyle inzwischen überzeugt, war nichts weiter als spöttisch.
    Er versuchte, seine wachsende Verunsicherung zu unterdrücken. Aber das hatte bloß den gegenteiligen Effekt. Als er weitersprach, klang seine Stimme sehr angespannt: »Und meine Zeit ist jetzt gekommen. Filmemacher wie ich sind jetzt mehr denn je gefragt.« Er kam sich albern vor, als er dies sagte, genoss aber gleichzeitig den Gedanken, dass die Filmindustrie wegen der neuen digitalen Möglichkeiten bei der Produktion in ihren
Grundfesten erschüttert wurde und die alte Monopolstellung längst dahin war. Das Mindeste, was er tun konnte, war, einen ihrer Repräsentanten auf diese Tatsache aufmerksam zu machen. »Ich habe die Absicht, meine Werke künftig über die neuen Medien selbst zu vertreiben, für genau definierte Zielgruppen. Dann ist Schluss mit diesem dämlichen Zensurscheiß, den irgendwelche Nullen in den Produktionsfirmen durchziehen, und auch mit ihren Gewinn-Verlust-Rechnungen und den angeblichen Kostengrenzen und ihrem Karrieredenken. Ich finanziere, drehe und schneide die Filme sowieso schon selbst. Der nächste Schritt wäre, sie auch selbst zu vertreiben. Das ist meine Position.«
    »Ich verstehe.« Max warf einen Blick auf seine schmalen, feminin wirkenden Hände und spreizte sie auf der Tischplatte. Einige Sekunden lang schien er seine Fingernägel zu inspizieren, wobei nicht klar war, ob er nun die Stirn runzelte oder vor sich hin lächelte. Aber das war sowieso immer schwierig zu sagen bei jemandem, dem sie womöglich ein Stück von der Stirn am Kinn eingepflanzt hatten. »Ihr Film Blutrausch hat mich beeindruckt und
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