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Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung
Autoren: Wolfgang Jeschke
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Holz-oder Lederschilde befunden, von denen nichts übrig geblieben war, sagte sich der Oberst. Dennoch war er mit dem Ergebnis unzufrieden, weil er seinen Fund nicht so recht einordnen konnte.
    Gilmore hatte selbstverständlich den Kommandanten von der Angelegenheit unterrichtet, und dieser hatte ihm - innerlich amüsiert, aber nach außen hin wie immer sehr formell - gestattet, die Schanzarbeiten an der fraglichen Stelle für einige Zeit zu unterbrechen, damit der Festungsbaumeister sein »ägyptisches Steckenpferd«, wie er es nannte, reiten könne. Sir Walter war allerdings der Meinung, dass es sich bei dem ominösen »Rostfleck« allenfalls um ein Fahrzeug handeln konnte, das den Mauren im Schlamm versunken war, als sie den Dschebel al-Tarik eroberten und von hier aus ihren Nachschub kontrollierten.
    Der Oberst widersprach der Meinung des Kommandanten nicht, doch er war Archäologe genug, um zu wissen, dass es sich bei dem »Rostfleck«, nach Beschaffenheit des Untergrunds und Tiefe des Fundorts zu schließen, um ein Artefakt aus vorchristlicher, spätestens karthagischer Zeit handeln musste - wahrscheinlich aber war der Fund noch wesentlich älter.
    Diese Vermutung erhärtete sich, als Gilmore Pascha bei neuerlicher Untersuchung der Grabungsstelle auf stark zerfallene Knochenreste stieß, darunter auf einen Schädelknochen, der ein daumennagelgroßes Loch aufwies. Der Lenker dieses Fahrzeugs war also offenbar eines gewaltsamen Todes gestorben.
    Was den Oberst indes irritierte, war die Tatsache, dass die Knochenreste in einem Zustand waren, der auf ein weit höheres Alter schließen ließ als drei-oder viertausend Jahre. Gilmore hatte in Ägypten Skelettfunde gesehen, die unter weniger günstigen Umständen als den gegebenen sich mindestens fünftausend Jahre fast vollständig erhalten hatten. Die Tonschicht, in welcher das Fahrzeug steckte, hätte den Leichnam über den zehn-oder gar zwanzigfachen Zeitraum hinaus konservieren müssen.
    Oberst Gilmore war ratlos und bat Sir Walter um Erlaubnis, mit dem nächsten Schiff eine Nachricht an die Royal Society in London absenden zu dürfen, damit sich Spezialisten mit dem Fund befassten.
    »Ausgeschlossen, Oberst«, entgegnete Sir Walter rundheraus. »Völlig ausgeschlossen. Ich kann es nicht verantworten, dass hier eine Horde Wissenschaftler auftaucht, die mich in der Wahrnehmung meiner militärischen Aufgaben behindert. Die Schanzarbeiten nördlich des Moorish Castle wurden ohnehin schon lange genug verzögert, weil ich Ihren ägyptischen Interessen nachgegeben habe. Ich muss darauf bestehen, dass sie nun zügig fortgeführt und abgeschlossen werden.«
    »Aber mit Ihrer Erlaubnis, Sir …«
    »Gewiss. Doch Sie werden verstehen, Oberst, dass ich es mir nicht leisten kann, eine Diskussion in der Presse zu provozieren, bei Schanzarbeiten seien auf der Landseite von Gibraltar archäologische Funde gemacht worden.«
    »Bei Kanalisationsarbeiten für das Reservoir, Sir.«
    Sir Walter winkte ungeduldig ab. »Ich würde einem Archäologen, oder wie Sie diese Leute nennen, doch zutrauen, dass sie Schanzarbeiten von Kanalisationsarbeiten unterscheiden können, Oberst Gilmore.«
    »Sir, es könnte sich möglicherweise um einen der wichtigsten vorgeschichtlichen Funde in Europa handeln, und das auf dem Territorium Seiner Majestät.«
    »Auf einem militärischen Territorium Seiner Majestät, für dessen Sicherheit ich verantwortlich bin, Oberst Gilmore.«
    »Das ist mir selbstverständlich bekannt, Sir. Aber bitte verstehen Sie auch meine Situation. Ich bin kein ausgewiesener Archäologe, mir fehlen die Hilfsmittel und Möglichkeiten zu einer eingehenden Untersuchung, vor allem zu einer genaueren Datierung. Der Wissenschaft könnte ein unersetzlicher Verlust entstehen. Ich möchte die Verantwortung nicht länger allein tragen …«
    »Die Verantwortung überlassen Sie getrost mir, Oberst. Außerdem habe ich den Eindruck, dass Sie Ihren Fund etwas überschätzen. Sie tun ja geradezu, als hätten Sie das Gerippe eines Elefanten von Hannibals Armee entdeckt. Wahrscheinlich ist ein spanisches Bäuerlein im Rausch bei Nacht und Nebel vom Weg abgekommen und mit seinem Mistkarren im Sumpf abgesoffen. Wir wollen doch nicht so viel Aufhebens um diesen Rostfleck machen. Ich muss wohl nicht deutlicher werden, Oberst. Ich hoffe, Sie haben mich verstanden.«
    »Jawohl, Sir.«
    Es war sinnlos. Sir Walter blieb bei seiner Entscheidung. Allerdings gestattete er Gilmore Pascha, einen befreundeten
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