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Der letzte Schattenschnitzer

Der letzte Schattenschnitzer

Titel: Der letzte Schattenschnitzer
Autoren: Christian von Aster
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erhoffte. Konnte es nicht sein. Ich hatte seinen Schatten gespürt. Er war ein lüsterner Bock, gesegnet mit dem Geist eines Wurmes und dem Jähzorn eines Berserkers. Unglücklich und unzufrieden. Ein Mann, der, wann immer er konnte, seine Wut und Verzweiflung mit den Fäusten hinausschrie.
    »Oh ja, ich werde dich gleich etwas spüren lassen, das du dein Lebtag nicht vergisst, du kleines Biest!« Mit diesen Worten drehte er Ruth wüst zu sich herum.
    Ich kenne eure Betten, euren Schweiß, obwohl ich nur selten gerne zugegen bin, wenn ihr euch liebt. Ich habe zwischen Laken gezuckt, wo ich wahrhaftig Liebe schmeckte. Dieser Nacht jedoch würde das nicht geschehen. Ein triebig-trunkener Faun, dumm bis unters Schädeldach, und eine Frau, die sich einen Vater und einen Mann wünschte. Einer, der nicht geben kann, was er will, und eine, die nicht bekommen wird, was sie sich wünscht. Seit Urzeiten schon entsteht aus solchen Zutaten ein schlimmes Gift …
    Er mühte sich mit ihr, doch konnte er seiner Lust nicht seinen Willen aufzwingen. »Verdammt, was zum Teufel …« Schließlich ließ er von ihr ab. Wütend und frustriert. »Zur Hölle noch eins! Das kann doch nicht wahr sein!« Er schleuderte die Nachttischlampe gegen die Wand, und ich begann, Angst um die Mutter meines Herrn zu haben …
    Doch auch ich irre bisweilen. Denn es war keinesfalls sie, um deren Unversehrtheit ich fürchten musste …
    Sie legte ihre Arme um ihn. Er aber stieß sie fort, sprang auf und zischte wütend: »Es ist diese kleine Drecksratte! Das Balg ist schuld …« Mit diesen Worten zog er den Gürtel aus seiner Hose und setzte sich schwerfällig in Bewegung.
    Ich sah Jonas schlafen, die kleinen Äuglein geschlossen, sein Geist bereits auf dem Weg in die Welt der Träume, als es mich kalt durchfuhr. Die Schatten im Flur wisperten unheilvoll, dann öffnete sich die Tür zum Kinderzimmer, und das Licht aus dem Flur warf den Schatten des schwitzenden Fauns in den Raum!
    Kaum, dass dieser mich streifte, als er über das Bettchen fiel, wusste ich, um wen ich fürchten musste. Der Alkohol hatte die Lenden des Fauns welk werden lassen. Er hatte sich umsonst gemüht über ihr, auf ihr, in ihr. Hatte versagt. Versagt, wie er immer versagte. Doch es war nicht seine Schuld. Nein, er war sicher, dass es an dem Balg lag, das Balg, das den ganzen Abend geschrien hatte, das mehr Aufmerksamkeit bekommen hatte als er, das Drecksbalg dort in seinem Bettchen, das …Er wankte auf uns zu und schlang das eine Ende des Gürtels eng um seine Faust.
    »Na warte, du Dreckszwerg. Ich werde dir zeigen, was du davon hast, wenn du mir meine Nacht versaust!« Ich spürte seinen dumpfen Zorn, sah seine zitternden Fäuste. Er wollte zuschlagen, seine Faust mit dem Gürtel zwischen den Kissen und in den kleinen Körper versenken, seinen Rivalen bestrafen, vernichten, die Mutter für sich haben!
    Wenn ein Schatten Furcht empfinden kann, dann ergriff sie mich in diesem Moment. Eine kalte, hässliche Furcht war es, und ich schrie aus meinem dunkelsten Inneren heraus, in der Hoffnung, dass etwas geschehen würde, irgendetwas, ein Wunder womöglich, das diesem Unhold Einhalt gebot.
    Und dieses Wunder geschah .
    Mein Herr schlug erschrocken die Augen auf.
    Er hatte mich gehört!
    Jonas Mandelbrodt hatte mich gehört!
    Dann erblickte er den Unhold, begann ebenfalls zu schreien, und der Faun stutzte für einen kurzen Moment. Dann wollte er auf das Kind zustürzen, es zum Schweigen bringen, da aber hatte seine Mutter es längst gehört.
    Einer Furie gleich fegte sie ins Zimmer, ihr Schatten ein Zeugnis ihres Zorns. »Lass die Finger von meinem Sohn! Du verdammter Mistkerl!« Der Faun starrte sie entgeistert an. Sie aber war noch nicht fertig: »Glaub mir, ich werde dir die Augen aus dem Schädel kratzen und dir jeden Knochen einzeln brechen, wenn …« Er wollte lachen, sich ihr entgegenstellen. Dann aber hatte sie plötzlich ein Messer in der Hand. Und damit jagte sie den Kerl tobend und fluchend hinaus.
    Es gelang ihm mehrfach, sie zu schlagen, sein trunkener Zorn aber war nichts gegen die Wut einer Mutter. Sie spürte nichts davon. Er war stärker als sie, viel stärker, doch als er sah, dass sie schlimm blutete und dennoch weiterhin wild entschlossen war, ließ er sich – wie gelähmt von ihrer Wut – durch den Flur jagen. Er spürte, dass sie ihn getötet hätte. Notfalls sogar mit bloßen Händen.
    Ich hörte die Schreie im Flur verklingen, und ganz langsam schwand mein
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