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Der letzte Schattenschnitzer

Der letzte Schattenschnitzer

Titel: Der letzte Schattenschnitzer
Autoren: Christian von Aster
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Gefäß dienen sollte. Der Schatten des Alchemisten sollte sich an seine Füße heften und ihn auf die gleiche Weise lehren, wie er dich später lehrte. Doch der Schatten verschmähte den Körper und floh in die Welt …«
    Jonas jaulte auf, versuchte, sich an menschliche Logik zu klammern. Was immer mit Ripleys Schatten geschehen war, es war vierzig Jahre her! Wie sollte es etwas mit ihm zu tun haben?
    Der Wächter aber fuhr unbeirrt fort:
    »Das, was von Ripley übrig war, floss durch die Schatten und lernte begierig, was in der Welt geschehen war, seit man ihn ins Dunkel gebannt hatte …«
    Jonas weigerte sich noch immer, die Wahrheit anzuerkennen.
    »Aber ich habe nie eine Ahnung von Ripley in meinem Schatten gespürt!«
    »Der Rat, mein Junge, hat ihn gebrochen. Seinen Willen, seinen Schatten und sein Selbst. Sie haben ihn zerrissen und neu zusammengefügt, damit er das Eidolon verrät. Als ich seinen Schatten befreite, da erinnerte er sich nicht einmal mehr daran, wer er einst war. Sein Wissen aber lag noch immer irgendwo in seinem Dunkel verborgen. Ebenso wie der Wille, seinen Plan zu vollenden. Unbewusst begann er nach jemandem zu suchen, der die Fähigkeit besaß, ihm dabei zu helfen. Nach einem Körper, der würdig war, dass er sich an seine Füße heftete. Und dann, Jonas, fand er dich und begann dich zu lehren.«
    Das ungläubige Wimmern des Jungen erfüllte das Dunkel.
    »In all den Jahren ist er in dein Inneres gedrungen, hat dich verändert und auf dich eingewirkt: Du hast gelernt und bist dabei er geworden. Du bist Ripley. «
    Und während Jonas im Dunkel noch immer in seinem eigenen Schatten gefangen war, spürte er, wie dieser sich erinnerte …
     
    Wahrhaft! Ich war das, was von George Ripley geblieben war! Plötzlich erinnerte ich mich wieder daran, wie meine Freunde und Vertrauten vom Rat der Schatten ermordet und verschleppt worden waren. Ich war der letzte Schattenschnitzer gewesen und hatte im Geiste der alten Magie im Zwielicht meiner Werkstatt die Schatten mit der Wissenschaft vermischt!
     
    Sein Schatten war es, der auf Rache gesonnen, das Eidolon aus reiner Finsternis destilliert und das Tor in den Limbus geschaffen hatte! Sein Dunkel füllte sich mit der Erinnerung an den Schmerz, die Folter und noch Schlimmeres. Ein weiteres Mal durchlebte er das Ende seines menschlichen Daseins und Hunderte Jahre von Gefangenschaft. Und Jonas, der noch immer in ihm steckte, erfuhr all dies, als ob es ihm selbst zugestoßen wäre! Ripleys Schatten hatte Jonas Mandelbrodt zum Erben des Alchemisten gemacht. Zu dem, der sein Werk vollenden und der Schöpfung trotzen sollte.
    Umgeben von fremden Verbündeten – Cassus, Erzsebet Stiny und dem Wächter – war Jonas Mandelbrodt zu George Ripley herangereift. Und während er sich der vergessenen Künste erinnerte, hatten die anderen die Siegel zerbrochen …
    Er spürte, dass mit der Erinnerung seines Schattens auch dessen Wut erwachte. Ein Zorn, der über Jahrhunderte gereift war. Er war bereit, die Welt ins Verderben zu stürzen und die Welt der Schatten über ihr auszugießen!
    Doch der Junge Jonas war noch nicht so weit. Wo blieb er in diesem Plan? Sein Wille? Seine Träume? War etwa der einzige Zweck seines Dasein, das Ende über die Welt zu bringen und dem Eidolon das Tor zu öffnen? Etwas in ihm wehrte sich gegen diesen Gedanken. Er wollte auch weiterhin Maria beschützen. Doch wie wahrscheinlich war es, dass ihre Seele noch immer irgendwo in ihrem kleinen Körper wohnte?
    Zudem begriff er nicht, weshalb es dem Alte und dem Wächter so wichtig gewesen war, dass er verstand . Weshalb sie ihm all das gezeigt und verraten hatten. Wozu nutzte seine Erkenntnis, wenn er doch nur das Tor öffnen musste?
    Bevor er seine Gedanken zu Ende bringen konnte, ertönte noch einmal die Stimme des Wächters:
    »Es ist an der Zeit. Jetzt wird sich alles entscheiden …«
    Mit einer großen Feierlichkeit intonierte er diese Worte. Dann kreuzte der Schatten des Engels seine Arme vor dem Dunkel seiner Brust. Jonas konnte wahrnehmen, wie er die Finger in sich selbst vergrub und dann nach seinem eigenen Inneren griff. Im nächsten Moment begann der dunkle Schemen des Wächters, sich zu verändern. Es war die gleiche Veränderung, die Jonas auch schon beim Brechen der Siegel hatte wahrnehmen können als ob der Schatten des Wächters langsam gefror.
    Es war ein seltsamer Anblick: Inmitten eines Raumes aus völliger Finsternis, in dem sich nichts außer den Körpern zweier
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