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Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Autoren: James Fenimore Cooper
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auf und antwortete:
    »Von Angriff ist, hoffe ich, auf keiner Seite die Rede. Was die Verteidigung betrifft, so brauch’ ich mich nicht zu verteidigen. Mit Gottes Gnade habe ich keine offenbare Sünde begangen, seitdem ich ihn zum letzten Mal um Vergebung gebeten. Ich verstehe Ihre Anspielungen auf Linien und Winkel nicht und überlasse das Auslegen denen, die besonders zu diesem heiligen Amte berufen sind. Ich mache auf keine höhere Gabe Anspruch, als auf eine geringe Einsicht in die glorreiche Kunst des Lobgesangs und Danksagens, wie sie bei dem Psalmsingen dem Himmel dargebracht werden.«
    »Der Mann ist offenbar ein Schüler Apollos«, rief die belustigte Alice, »und ich nehme ihn unter meine spezielle Protektion. Nein, weg mit diesen Runzeln, Heyward, aus Mitleid für meine neugierigen Ohren lassen Sie ihn in unserem Gefolge reisen. Überdies«, fuhr sie in gedämpftem und hastigem Tone mit einem Blick auf die entfernte Cora, welche langsam den Tritten ihres schweigsamen und düsteren Führers folgte, fort, »kann er vielleicht als Freund im Falle der Not unsere Kräfte verstärken.«
    »Glauben Sie, Alice, ich würde diejenigen, die ich liebe, auf einen geheimen Pfad führen, wenn ich mir dächte, dass eine solche Not kommen könnte?«
    »Nein, nein, ich denke jetzt auch nicht daran; aber dieser seltsame Mann belustigt mich, und wenn er ›Musik in seiner Seele hat‹, so wollen wir ihn nicht lieblos aus unser Gesellschaft verweisen.« Sie deutete mit ihrer Reitgerte bittend nach dem Pfade hin, indes beider Augen in einem Blicke sich begegneten, den der junge Mann gerne verlängert hätte; dann gab er ihrem begütigenden Einfluss nach, stieß seinem Rosse die Sporen ein, und in wenigen Sprüngen war er wieder an Coras Seite.
    »Es freut mich, dich zu treffen, Freund«, fuhr Alice fort, dem Fremden mit der Hand winkend, weiterzureiten, indem sie ihr Pferd wieder in einen Pass zu bringen suchte. »Parteiische Verwandte haben mich beinahe überredet, dass ich bei einem Duett nicht übel anstehen könne, und wir erheitern uns den Weg, wenn wir unserer Lieblingsneigung etwas nachgeben. Es wird einem Wesen, das so unwissend ist wie ich, zu besonderem Vorteil gereichen, die Meinungen und Erfahrungen eines Meisters in der Kunst zu vernehmen.«
    »Es ist erfrischend für Geist und Leib, sich zu seiner Zeit durch Singen von Psalmen zu erquicken«, erwiderte der Meister im Gesang, indem er unbedenklich ihrer Einladung folgte, »und nichts dürfte dem Gemüt so wohl tun als eine solche Vereinigung. Aber vier Stimmen sind erforderlich, um eine Melodie gehörig auszuführen. Nach allen Anzeigen besitzen Sie einen sanften und vollen Diskant; ich kann, durch absonderliche Gunst des Himmels, einen vollen Tenor auf die höchste Note führen; aber es fehlt uns noch ein Alt und ein Bass! Der königliche Offizier dort, welcher mich nicht in seine Gesellschaft aufnehmen wollte, könnte den Letzteren übernehmen, wenn ich nach den Intonationen seiner Stimme im gewöhnlichen Gespräche schließen darf.«
    »Urteilen Sie nicht zu voreilig nach flüchtigen und täuschenden Scheinbarkeiten«, entgegnete lächelnd das Mädchen, »wenn Major Heyward auch bei Gelegenheit solche tiefe Töne anstimmen kann, so glauben Sie mir, dass seine natürliche Stimme sich mehr zu einem weichen Tenor als für den Bass eignet, den Sie gehört haben.«
    »Ist er also im Psalmsingen besonders erfahren?«, fragte ihr schlichter Begleiter.
    Alice hätte gern laut aufgelacht, bezähmte aber ihre Laune, als sie antwortete:
    »Ich fürchte, er hält es mehr mit weltlichem Gesang. Das wechselnde Soldatenleben ist wenig geeignet, ernstere Neigungen zu begünstigen.«
    »Die Stimme ist dem Menschen, wie andere Talente, zum Gebrauch, nicht zum Missbrauch gegeben. Mir kann niemand nachsagen, dass ich je meine Gaben vernachlässigt habe. Ich danke Gott, dass, obgleich ich schon meine Jugend, wie König David, der Musik gewidmet habe, kein profaner Vers jemals meine Lippen entweihte.«
    »So haben Sie denn Ihre Kunstversuche auf den heiligen Gesang beschränkt?«
    »Ja. Wie die Psalmen Davids jede andere Sprache weit übertreffen, so übertrifft auch die Psalmodie, welche von den Gottesgelehrten und Weisen des Landes ihnen angepasst worden ist, alle weltliche Poesie. Glücklicherweise darf ich sagen, dass ich nur die Gedanken und die Wünsche des Königs von Israel selbst ausspreche: Denn wenn auch die Zeiten einige unbedeutende Veränderungen erheischen, so
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