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Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Autoren: James Fenimore Cooper
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lichten blauen Augen, indem sie die Morgenluft den grünen Schleier, der langsam von ihrem Biberhut herabfloß, kunstlos beiseite wehen ließ. Das Rot, welches noch über den Fichten am westlichen Himmel verweilte, war nicht glühender noch zarter als die Blüte ihrer Wangen, und der anbrechende Tag nicht lieblicher als das seelenvolle Lächeln gegen den Jüngling, der ihr in den Sattel half. Die andere Dame, welche gleichfalls die Aufmerksamkeiten des jungen Offiziers zu teilen schien, verbarg ihre Reize vor dem neugierigen Blicke der Soldateska mit einer Sorgfalt, die sich für vier oder fünf Jahre weiterer Erfahrung besser geschickt hätte. So viel konnte man jedoch sehen, dass sie, obschon von gleich ausgezeichnetem Ebenmaß, das durch ihren Reiseanzug nichts an Grazie verlor, eher voller und ausgebildeter war als ihre Begleiterin.
    Die Damen saßen kaum zu Pferde, als ihr Begleiter sich leicht in den Sattel seines Schlachtrosses schwang. Alle drei verbeugten sich jetzt gegen Webb, welcher ihren Abgang höflich auf der Schwelle seiner Wohnung erwartete, und ihrer Rosse Häupter wendend, ritten sie in einem langsamen Passgang, von ihrer Dienerschaft gefolgt, nach dem nördlichen Eingang der Verschanzungen.
    Auf dieser kleinen Strecke ließ sich unter ihnen kein Ton vernehmen; ein leichter Ausruf entfuhr aber der jüngeren Dame, als der indianische Läufer unerwartet an ihr vorüberglitt und vor ihnen auf der Heerstraße dahineilte. Obgleich diese plötzliche und überraschende Erscheinung des Indianers der anderen keinen Laut entlockte, so öffnete doch ihr Schleier seine Falten und verriet einen unbeschreiblichen Blick des Mitleids, der Verwunderung und des Entsetzens, während ihr schwarzes Auge den leichten Bewegungen des Wilden folgte. Die Locken dieser Lady waren glänzend schwarz, gleich dem Gefieder des Raben. Ihre Haut war nicht braun, sondern eher in die Farbe südlichen Blutes getaucht, das seine Grenzen zu durchbrechen drohte. Und doch war hier nichts Unedles, kein Mangel an Schattierung in einem Gesichte, das ungemein regelmäßig, würdevoll und ausnehmend schön genannt werden konnte. Sie lächelte, als bemitleidete sie ihre eigene augenblickliche Vergesslichkeit und zeigte dabei eine Reihe Zähne, die das reinste Elfenbein beschämt haben würden, worauf sie, ihren Schleier wieder zurechtbringend, ihr Gesicht vorwärts beugte und stillschweigend dahinritt, wie jemand, dessen Gedanken von der ihn umgebenden Szene abgezogen sind.

2
Sola, sola, so, so, so, sola!
WILLIAM SHAKESPEARE
    Während die eine der liebenswürdigen Damen, mit denen wir unsere Leser flüchtig bekannt gemacht, so in Gedanken vertieft war, hatte sich die andere schnell von dem leichten Schrecken erholt, der jenen Ausruf veranlasste, und über ihre eigene Schwäche lachend, fragte sie den jungen Mann, der ihr zu Seite ritt:
    »Sind solche Gespenster häufig in diesen Wäldern, Heyward, oder ist das ein Schauspiel, das uns zuliebe gegeben wurde? Wenn Letzteres der Fall ist, so muss uns Dankbarkeit den Mund schließen; im ersteren Fall bedürfen Cora und ich eines reichen Vorrates von jenem ererbten Mute, dessen wir uns rühmen, selbst ehe wir noch dem gefürchteten Montcalm begegnen.«
    »Der Indianer dort ist ein Läufer von dem Heere, und kann in der Weise seines Volkes für einen Helden gelten«, versetzte der Offizier. »Er hat sich erboten, uns auf einem nur wenig gekannten Pfade schneller und folglich angenehmer nach dem See zu bringen, als wenn wir den langsamen Bewegungen des Heeres folgten.«
    »Der Mensch gefällt mir nicht«, sprach die Lady, von angenommenem, noch mehr aber von wirklichem Schrecken schaudernd. »Sie kennen ihn doch genau, Duncan, sonst würden Sie sich nicht so unbedenklich seiner Führung anvertrauen?«
    »Sagen Sie lieber, Alice, ich würde Sie ihm nicht anvertrauen. Ich kenne ihn, sonst würde ich ihm am wenigsten in diesem Augenblicke vertrauen. Man sagt, er sei auch ein Kanadier – und doch diente er unseren Freunden, den Mohawks, die, wie Sie wissen, eine der sechs verbündeten Indianer-Nationen sind. Er wurde, wie ich hörte, durch einen seltsamen Vorfall zu uns gebracht, bei dem Ihr Vater beteiligt war, und wobei der Wilde hart behandelt wurde – aber ich vergaß das Geschichtchen, genug, er ist jetzt unser Freund.«
    »Wenn er meines Vaters Feind war, so gefällt er mir noch viel weniger!«, rief das nun wirklich erschrockene Mädchen. »Wollen Sie nicht mit ihm sprechen, Major Heyward, dass
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