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Der letzte Massai

Der letzte Massai

Titel: Der letzte Massai
Autoren: Frank Coates
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Gedanken nach.
    Schließlich erhob sich Ole Sadera. »Ich werde die
Moran
zusammenrufen und die Vorbereitungen für den Überfall treffen.«
    »Dann solltest du rasch handeln. Wenn du angreifen willst, musst du die Karawane erreichen, bevor sie am Wald anlangt.« Lenana stand ebenfalls auf. »Aber lass mich dir erst meinen Segen geben, dann werde ich dir hinunterfolgen, um die
Moran
zu segnen, bevor ihr loszieht.«
    Er hielt seinen heiligen eisernen Stab über Ole Saderas Kopf, umkreiste den
Morani
und bespuckte ihn auf die althergebrachte Weise der Massai.
     
    Am östlichen Steilhang, zweitausend Fuß über dem Great Rift Valley, dem Großen Afrikanischen Grabenbruch, fiel das Land in kleineren und größeren Stufen zu der flachen, gelben Tiefebene ab, wo sich der Kedong – aus dieser Höhe kaum mehr als ein grünliches Band – am Fuße der Hänge entlangschlängelte.
    Ole Sadera trat an die Kante des Steilhangs, steckte seinen Speer in den Boden und betrachtete ein anderes Band dort unten im Tal. Eine bunte Mischung aus Farben und Formen bewegte sich einer Schlange gleich vorwärts: zur einen Seite, um einem Haufen Felsbrocken auszuweichen, zur anderen Seite, um eine Stelle mit Dornenbüschen zu umgehen. In ihrem Windschatten reiste eine dunstige Staubwolke, die in der Luft über dem Massai-Land hing. Es handelte sich um eine Handelskarawane der Swahili, vierzehnhundert Mann stark. Darunter befanden sich die Männer, die sich vor einigen Tagen erst zwei Massai-Frauen geholt und sie geschändet hatten.
    Vierhundert Il Tuati mit den kurzgeschorenen Köpfen derer, die erst kürzlich die Kriegerwürde erworben hatten, standen mit schweißglänzenden Körpern an der Kante des Steilhangs. Die Sonne fing sich in den zahlreichen Farben ihrer Schilde und brachte die Ränder der langen Eisenspeere zum Funkeln.
    Ole Saderas Herz pochte gegen seine Rippen. Das lag zum einen an seiner gespannten Erwartung und zum anderen an den vor ihnen liegenden zehn Meilen, die sie laufen mussten, um die Karawane zu erreichen. Er blickte an den Reihen der Krieger zu seiner Rechten und zu seiner Linken entlang und spürte die Anspannung, die in der Luft lag.
    In ihrer
Manyatta
hatte ihnen der
Laibon
die Zeichen gedeutet. Es gab günstige Omen für eine rasche und tödliche Vergeltung. Die Krieger hatten ihre Körper mit weißem und rotem Ocker angemalt und sich in ihren kurzen, roten
Shukas
zu einem Festtanz versammelt. Sie stießen laute Schreie aus und sangen, während einer nach dem anderen in den Kreis sprang und Richtung Himmel hüpfte, um seine Kraft und seine Bereitschaft für den Kampf zu demonstrieren. Als ihr
Olaiguenani
hatte Ole Sadera bis zuletzt gewartet und mit dem Adrenalin, das durch seinen Körper schoss, bislang nie erreichte Höhen erzielt. Die Il Tuati hatten dies mit noch lauterem Freudengeschrei belohnt.
    Die Frauen des
Enkang
säumten schreiend und Ruhmeslieder singend ihren Pfad, als die jüngeren Krieger losliefen.
    Und nun, als sie sich plappernd an den Felsenrand drängten und auf ihre Beute hinabblickten, konnten sie es kaum erwarten anzugreifen. Ein Sprechgesang erklang, der, zunächst verhalten, an Lautstärke und Intensität gewann, als seine Kraft in jeden der Körper strömte.
Hhuunh-huh! Hhuunh-huh! Hhuunh-huh!
    Als Ole Sadera auf einen Fels kletterte, um sich an seine vierhundert Krieger zu wenden, verstummten diese sogleich und rückten zu einer dichten Formation zusammen. Nicht ein einziges Murmeln erklang, als ihr Anführer seine Befehle erteilte, die
Moran
in Flankenangreifer, Vortrupp und Nachhut aufteilte. Als das getan war, hob Ole Sadera seinen Schild, und die Krieger stießen einen gemeinschaftlichen Seufzer aus. Sie waren zum Kampf bereit.
    Die vierhundert jungen Männer strömten geschmolzener Lava gleich eine Falte des Steilhangs hinunter, sprangen wie Gazellen über Felsbrocken und ließen kleine Steine unter ihren Füßen aufspritzen. Die natürliche Form des Hangs verbarg sie beim Abstieg vor dem Feind. Ole Sadera führte stolz seine Il Tuati an. Heute war ihr Tag, der Tag, an dem sie ihre Speere blutig machten.
    Auf dem flachen Erdboden am Fuß des Steilhangs sammelten sie sich zu einer Kampfformation und begaben sich rasch an die Stelle, wo sie die Eindringlinge angreifen wollten. Sie nahmen ihre Positionen hinter einer kleinen Erhebung des Talbodens ein, wo keine Dornbüsche oder Bäume wuchsen und ihre geschlossenen Reihen genügend Raum hatten.
    Ole Sadera wusste, dass die Frauen
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