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Der letzte Grieche

Der letzte Grieche

Titel: Der letzte Grieche
Autoren: Aris Fioretos
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enthielt sie blühende Unwetter. Er verlagert das Gewicht. Die Fußsohlen sind breit und dunkel, gleichsam auf den Boden gegossen. Als Anton die Strümpfe sieht, muss er zwangsläufig an den Schwefelkopf eines Streichholzes denken.
    Wird es nicht langsam Zeit zu beschreiben, was Jannis in der Hand hält? Nein. Erst müssen wir erwähnen, dass nach dem Brand auf einem Hinterhof in Lund, der übrigens zur Folge hatte, dass Harald Olsson als Entschädigung für ein verloren gegangenes Manuskript den letzten Teil der Enzyklopädie gratis drucken sowie seinen einzigen Gastarbeiter entlassen musste, ein Entschluss reifte. Jannis wusste nicht, was ihn erwartete, wenn er heimkehrte. Vielleicht Schulterzucken, vielleicht Jaros. Aber in seiner Brusttasche lag der neue Pass, den er nicht »ausländisch« nennen konnte, ohne ins Grübeln zu geraten. Und es fragte sich, ob die Geheimpolizei schwedische Bürger bestrafen durfte, die ihr Vaterland besuchten. Konnten sie ihn ins Visier nehmen? Die Gespräche mit Doktor Florinos hatten keine Klarheit gebracht. Im Grunde wusste es keiner so genau. Im Gegensatz zum Doktor sowie gewissen anderen Personen, die man mit Sicherheit auf die Inseln schicken würde, war Jannis von der Wehrpflicht befreit gewesen. Wenn er mit seiner Tochter anreiste, konnten die Behörden ihm doch nichts tun, ohne diplomatische Verwicklungen zu riskieren, oder? Der Doktor war sich da nicht so sicher. Geheimpolizisten blieben Geheimpolizisten. Aber er merkte, dass sein Landsmann sich entschieden hatte, und als er erfuhr, dass der neue Bürgermeister im Dorf ein alter Freund war, gab er sich geschlagen. Angesichts eines solchen Beschützers würde wohl nichts passieren. Widerwillig wünschte er Jannis eine gute Reise.
    Es fällt uns schwer, beim Schreiben dieser Zeilen keine Tränen zu vergießen. Sollen wir uns nicht lieber dem zuwenden, was der ehemalige Kellergrieche in der Hand hielt? Nein, so schnell verrinnt die Zeit nicht. Es folgt ein kurzer Gedankenaustausch:
    EHEMALIGER SCHÜLER : Wie du meinst Kontrolle?
    EHEMALIGER LEHRER : Meine Lehrerin möchte, dass wir kontrollieren, ob die Sätze stimmen.
    EHEMALIGER SCHÜLER : Dann ich kann helfen. Ich habe Rosén gelesen.
    EHEMALIGER LEHRER (bereitwillig) : Bitte sehr.
    EHEMALIGER SCHÜLER : (studiert die Aufgabe) : Einfach. Schau. (Hält die Hand hoch und erklärt eine Eigenheit der Grammatik.) Aber vergiss nicht: Keiner Kontrolle hat über Leben von anderen. Nicht einmal Kontrolle hat über sein eigenes.
    EHEMALIGER LEHRER : Ich glaube nicht, dass die Obristen das interessiert. Willst du wirklich hinfahren?
    EHEMALIGER SCHÜLER : Mars mou , wenn Jannis nicht fährt, er noch weniger Kontrolle hat.
    EHEMALIGER LEHRER : Ich heiße nicht Mars.
    EHEMALIGER SCHÜLER : Du siehst, was ich meine.
    Während Jannis den Gegenstand in seiner Hand drehte, beschrieb er, wie er sich die Reise mit einer Fähre, auf endlosen deutschen Autobahnen, über Grenzen und schließlich auf gewundenen, immer schmaleren Straßen in die Berge vorstellte. Er erklärte, dass er vor jeder Kurve hupen musste, damit es keinen Unfall gab. »Die Apokalypse, er immer schlug mit dem Stock auf den Esel.« Nein, er hatte nicht vor, nach Wasser zu bohren, wenn er ankam, er hatte nicht vor, Felder zu bewässern. Er hatte zwar einiges an aktueller Literatur zum Thema eingepackt. »Aber das wahre Wunder, das liegt hier.« Er versuchte sich auf die Gesäßtasche zu schlagen, in der zusammengefaltet die Zeichnungen lagen.
    Ja, ja, dachte Anton, verwundert darüber, dass Auslandsgriechen nie wie normale Menschen sein konnten. Dann erzählte Jannis, dass er die alte Badewanne herausreißen und eine schwedische aus gepresstem Blech mit emaillierter Oberfläche installieren wollte. Den Rest beabsichtigte er mit Kacheln und Sanitärporzellan zu gestalten. Kein Blei, so weit das Auge reichte. Wenn er fertig war, würde er zum Marktplatz gehen und bei Stefanopoulos einen skéto bestellen. Wenn jemand Fragen stellte, gedachte er der fraglichen Person in die Augen zu sehen und langsam und genüsslich zu antworten: »Für Jannoula ist das Beste gerade gut genug.«
    Jetzt reicht es aber bald.
    Gleich. Ehe wir die Küche der Familie Florinos verlassen, müssen wir ergänzen, dass im Kofferraum des Saabs zudem ein Waschbecken und ein Toilettensitz aus den Ifö-Werken lagen, wodurch die Federung schlechter funktionierte als gewöhnlich. Anton zog das Lehrbuch näher heran, mit dessen Hilfe er zu identifizieren versucht
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