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Der Lavendelgarten

Der Lavendelgarten

Titel: Der Lavendelgarten
Autoren: Lucinda Riley
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Jacques erzählt hatte.
    »Emilie, begreifen Sie nun, warum ich die Identität des Kindes nicht preisgeben wollte?«, fragte Jacques. »Wenn ich es getan hätte, wäre Margaux’ Leben aus den Fugen geraten. Sie hat über fünfzehn Jahre lang als Haushälterin im Château gearbeitet. Nach dem Tod Ihres Vaters ist die frühere Haushälterin, an die Sie sich vielleicht noch erinnern, in Rente gegangen. Inzwischen war ich mit Margaux’ Mutter befreundet, und ich habe Ihrer Mutter Margaux als Nachfolgerin vorgeschlagen.«
    »Jetzt verstehe ich, warum du nichts sagen wolltest, Papa«, bemerkte Jean. »Wie hätte Margaux wohl auf die Eröffnung reagiert, dass sie so viele Jahre für die de la Martinières gearbeitet hatte, obwohl sie letztlich eine von ihnen war?«
    »Genau«, pflichtete Jacques ihm bei. »Und nun hat Margaux uns verlassen, und Anton ist bei Ihnen gelandet …« Jacques nickte Emilie zu. »Deshalb musste ich es Ihnen sagen. Der Junge, der gerade seine Sachen packt, um Sie zu begleiten, ist Ihr Großcousin.«
    Endlich begriff Emilie, warum Anton ihr immer schon so vertraut vorgekommen war … In ihrer beider Adern floss De-la-Martinières-Blut. Kein Wunder, dass sie an jenem Tag, als sie ihn in der Bibliothek inmitten der Bücher erblickte, eine Gänsehaut bekommen hatte. Ironie des Schicksals: Er sah nicht seiner Großmutter ähnlich, sondern seinem Großonkel Édouard.
    »Emilie«, fuhr Jacques fort, »ich überlasse es Ihnen, ob Sie Anton über seine Herkunft aufklären. Man könnte argumentieren, dass sie jetzt keine Rolle mehr spielt und ihn nur belastet, aber Anton Duvall ist der einzige andere lebende Spross der de la Martinières.«
    »Egal, ob Anton der Sohn meiner Haushälterin oder blutsverwandt mit mir ist: An meinem Beschluss, ihm ein Zuhause zu geben, ändert sich nichts«, erklärte Emilie und tätschelte das Knie des alten Mannes. »Jacques, ich möchte Ihnen zwei Dinge mitteilen: Erstens, dass ich mir keine bessere Möglichkeit hätte vorstellen können, das Geschenk meines Vaters zu nutzen, als damit die Sicherheit seiner Nichte zu erkaufen. Und zweitens: Ich freue mich sehr, dass Sie mir die Wahrheit anvertraut haben. Dass Anton mit mir verwandt ist, erachte ich als einen zusätzlichen Pluspunkt. Ich habe mich sofort zu ihm hingezogen gefühlt. Jacques, Sie haben mich gerade sehr glücklich gemacht. Ich hoffe, dass ich mich irgendwann revanchieren kann.«
    »Emilie …« Jacques streckte beide Hände nach ihr aus, und sie ergriff sie. »Margaux’ Tod hat mich aus meinem Dilemma erlöst. Anton hat nun ein Zuhause, und Sie werden ihm eine mitfühlende Mutter sein. Édouard hat sein Mitgefühl wie viele seiner Landsleute im Krieg verloren. Bitte versprechen Sie mir, das Ihre nicht zu verlieren.«
    »Das verspreche ich Ihnen«, sagte Emilie mit fester Stimme.
    »Das Leben ist zu kurz für Hass und blinden Eifer. Gute Dinge sollte man mit beiden Händen festhalten.«
    »Auch das werde ich tun«, versicherte ihm Emilie.
    »Können wir gehen?«, fragte Anton, der mit einem kleinen Koffer den Garten betrat. »Es wäre gut, wenn wir vor Einbruch der Dunkelheit nach Hause kommen.«
    »Ja.« Emilie stand auf und reichte Anton die Hand. »Wir fahren, bevor es dunkel wird.«
    Als Anton sich in seinem neuen Zimmer eingerichtet hatte und im Bett lag, spürte Emilie Euphorie in sich aufsteigen. Sie würde ein andermal entscheiden, ob und wann sie ihm von seiner Vergangenheit erzählte. Im Moment war es für ihn am wichtigsten, dass er sich geliebt fühlte. Außerdem bestand, wenn sie es ihm gleich sagte, die Gefahr, dass der sensible Junge glaubte, sie sei nur bereit, ihn bei sich aufzunehmen, weil sie miteinander verwandt waren. Zwischen ihnen musste erst Vertrauen entstehen.
    Sie fuhr den Computer hoch und las die E-Mail von Alex noch einmal.
    »Du fehlst mir auch«, erklärte sie ihrem Laptop, während sie im Wohnzimmer auf und ab ging. »Und zwar sehr«, fügte sie hinzu.
    Sie blieb stehen. Machte sie sich gerade lächerlich?
    Vielleicht. Die Beziehung zu Alex war unter sehr schwierigen Bedingungen entstanden. Trotzdem verschwanden die Schmetterlinge im Bauch, die sich immer meldeten, wenn sie an ihn dachte, nicht.
    Sie lief weiter hin und her. Natürlich konnte es eine Katastrophe werden … aber warum nicht? Nichts war für immer, das hatte sie in den vergangenen Monaten gelernt. Das Leben konnte sich von einer Sekunde auf die andere ändern und bot einem keine zweite Chance. Man musste nehmen,
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