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Der langsame Tanz

Der langsame Tanz

Titel: Der langsame Tanz
Autoren: Thommie Bayer
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lassen, wie ihr pulsierendes Blut den Schweiß auf ihrer Haut erwärmte.
    Es war noch zu früh, zu nahe an der Eruption, sonst hätte ihn der Anblick, wie sie sich jetzt streckte und bog, wieder erregt. Sie lächelte ihn an und spreizte ihre Finger : »Geh’n wir ins Kino?«
     
    *
     
    Wochenlang aquarellierte sie, und in den neuen Bildern, die sich bald wieder doppelreihig ums Zimmer legten, zeigte sich erneut dieser langsame Tanz, den Martins Körper zu vollführen schien. Ein Fruchtbarkeitstanz diesmal. Jede dieser einsamen, um sich selber kreisenden Gestalten war ein Priapos mit erigiertem Glied und irritierend archaischer Ausdruckskraft.

42.
     
    Es ist seltsam. Seit Rudi nach Hamburg gefahren ist, sieht Martin die beiden als Liebespaar. Er sieht Rudi sich rasieren und Anne, wie sie ihn verschlafen und zerzaust auf den Bizeps küßt. Bizeps ? Hat Rudi nennenswerte Muskeln ? Martin weiß es nicht. Er sieht Anne, wie sie ihre Beine um Rudis Hüften schlingt, sich an ihn stößt und keuchend einsilbige Wörter stammelt. Er sieht Rudis Hintern auf und ab gehen und vor und zurück, sieht sie beide in obszöner Raserei aneinander reißen und zerren und sieht sich, der gefühllos und gelassen wie ein Zensor das Geschehen auf dem Fernsehschirm verfolgt.
    Es tut nicht weh. All diese Vorstellungen tun nicht weh, es geht nicht um Eifersucht, er fühlt nichts dabei, außer dieser Übelkeit, von der er sich jedesmal fast übergeben muß.
    Und immer öfter wird ihm die Wohnung zu eng, schnürt er ziellos durch die Straßen oder findet sich in der Badewanne liegend, ohne irgendwas zu wollen, außer endlich wieder müde sein und den Tag so wegwerfen wie den letzten, den vorletzten und alle bisher, seit Rudi gefahren ist. Eine Woche ist das nun schon her.
    Im Centro Storico ist er jeden Weg schon zigmal gegangen, alles, was ihn lockte, hat er längst schon angesehen. Außer dem Forum. Aber was soll er dort ?
    In die Macchia kotzen ?
     
    *
     
    Gleichzeitig ungehalten und froh ist er dann über die Störung, als Sharon an der Tür klingelt und ihn einlädt, mit ihr in den Park bei der Villa Medici zu gehen. »Der Pincio«, sagt er, um irgendwas zu sagen. »Du siehst aus, wie du brauchst Tageslicht«, antwortet sie.
    In der Via Flaminia, auf der Höhe des Automobil-clubs, hakt sie sich bei ihm unter, und sosehr er diese altmodische Geste immer gemocht hat, so unangenehm ist sie ihm auf einmal, weil er spürt, daß er nichts spürt.
    Er will nicht. Wieso reagieren seine Nerven am Unterarm nicht auf ihre Brust ? Wieso interessiert sich seine Haut nicht für ihre ? Wieso fühlt er sich nur gebremst oder festgehalten, anstatt berührt ? Wieso kommen ihm Sharons Sommersprossen auf einmal wie abwaschbar vor ? Und, noch schlimmer : Wieso hat er Lust, sie abzuwaschen ?
    Sie reden belanglos, kultiviert, wie Geschwister, die sich verpflichtet fühlen, einander zu berichten, aber nicht wissen wollen, was den anderen bewegt. Irgendwann sagt sie : »Tut mir immer noch leid, wegen dein Wagen.
    Daß ich es hab mir klauen lassen.«
    »Ist nicht schlimm«, sagt er und hört sich reden, wie durch den Kopfhörer eines schlechten Walkmans. Dünn.
    Kraftlos. Er versucht es nachträglich besser zu machen : »Hätte mir doch auch passieren können. Bitte vergiß es.
    Normales Pech.«
    »Ich hätte mich schon früher wieder gezeigt«, sagt sie, »eigentlich wollte ich bei Manfred mit dir reden, aber du warst plötzlich weg.«
    »Ja«, sagt er.
    »Und dann war bis jetzt mein Bruder da.«
    Er ist Künstler, erzählt sie, und gerade in Ligurien. In zwei Wochen wird er wieder hier in Rom sein. »Dann kannst du ihn kennenlernen«, sagt sie, als wäre klar, daß Martin danach gieren muß. »Und dann geh ich wieder nach Brisbane.«
    Eine Zeitlang bleiben sie bei den Fahrrad-und Rollbrettartisten stehen, von denen einer mit verbissener Energie an der für ihn zu hohen Latte scheitert, ohne das Bedauern der zuschauenden Mädchen und Lachen der Konkurrenten zu beachten. Jedesmal hat er diesen siegesgewissen Blick, wenn er anläuft, um sein Rollbrett auf Touren zu bringen, und jedesmal schlägt er mit den Knien die Latte vor sich weg. Und jedesmal ist er enttäuscht, aber so, als wäre es nur dies eine einzige Mal, nur zufällig schiefgegangen und dürfe man ihm solch kleines Pech nicht ankreiden. So muß man leben, denkt Martin, keinen Beweis gelten lassen und eine glorreiche Zukunft hinter jeder nächsten Straßenecke wissen.
    Sie verabreden sich für den
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