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Der langsame Tanz

Der langsame Tanz

Titel: Der langsame Tanz
Autoren: Thommie Bayer
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lächerlich, jetzt noch den Gentleman spielen zu wollen, also setzt er sich auf den Wannenrand, bereit, ihr die Zigarette aus dem Mund zu nehmen, sobald die Asche eine kritische Länge an-genommen haben würde.
    »Bist du das im Schlafzimmer ? Auf das Bild, meine ich.«
    »Ja.«
    »Du hast ein schöne Körper.«
    »Du auch.«
    Er nimmt ihr die Zigarette aus dem Mund und stippt die Asche ins Waschbecken.
    »Ist das ein Selfportrait«, fragt sie, »malst du ?«
    »Nein, ich war nur das Modell.«
    Sie inhaliert tief und schließt dabei die Augen, er soll sie in Ruhe betrachten. Sie verführt mich, denkt Martin, wann hat mich zum letztenmal jemand verführt ?

16.
     
    Es vergingen Wochen über Wochen, in denen Anne malte, Martin Taxi fuhr und sich nichts tat, was es wert gewesen wäre, auch nur eine Sekunde im alltäglichen Trott dafür innezuhalten. Manchmal sah Martin auf das Ziffernblatt seiner Uhr und dachte, ein Geschenk von ihr, sie hat mir tatsächlich ein Geschenk gemacht.
    Aber dann sprang die Ampel auf Grün oder stieg ein neuer Fahrgast in den Wagen, und nichts weiter, kein Gedanke, kein Gefühl stellte sich dazu ein. Wie ein Mantra ohne Wirkung schrieb sich der Satz, sie hat mir ein Geschenk gemacht, über jeden Anblick, der gerade vor seinen Augen lag. Ein Untertitel ohne jeglichen Bezug zum Geschehen. Nur vage kam Martin zu Bewußtsein, daß er vegetierte, daß er ausschließlich wartete auf ein erneutes Blitzen in Annes Augen, einen Griff zum Bund ihres T-Shirts, einen Satz wie »Ich hab was Neues vor, hast du heut nachmittag Zeit ?«
    Ich bin stumpf, dachte er immer öfter, so wollte ich nie leben, ich spüle meine Lebenszeit gedankenlos ins Klo.
    Aber er glaubte auch, daß das Warten sich lohnte, daß irgendwas noch kommen mußte, denn sonst wäre Anne schon längst wieder weg. Daß sie ihn nicht liebte, hatte er irgendwann unterwegs entdeckt, ohne eigens darüber nachzudenken. Sie wußte nichts von ihm, wollte nichts wissen, sprach nicht von sich und lebte ihr eigenes Leben selbstgewiß mit katzenhafter Ruhe, ohne sich von seiner Anwesenheit in irgendeiner Weise stören zu lassen. Sie sah ihn überhaupt nicht. Oder falls doch, dann ließ sie sich nichts davon anmerken. Ebenso nebenbei war ihm aufgegangen, daß er sie liebte. Und hoffte, seine Geduld würde ausreichen, irgendwann auch in ihr ein größeres Gefühl zu erwecken. Diese Vertrautheit mußte doch zu irgend etwas führen.
     
    *
     
    Eines Nachmittags stand eine junge Frau vor der Tür und sagte : »Hallo, ich bin Marlies.«
    »Du willst sicher zu Anne«, sagte er und öffnete die Tür, damit sie eintreten konnte, »sie ist noch nicht da.«
    »Ich weiß, ich soll hier auf sie warten.« Sie zog ihre Jacke aus, sah sich um wie eine Mutter, die zum ersten Mal ihr studierendes Kind besucht, oder ein Hotelgast, der sich fragt, ob es lohnt zu reklamieren. Ihre Augen fanden zielsicher die geöffnete Tür zu Annes Zimmer.
    »Ist da das Atelier ?«
    »Ja.«
    Jetzt bewegte sich Marlies’ Blick zwar freundlich, aber eindeutig kritisch von oben nach unten über Martins Äußeres. Sie schätzte ihn ab. »Und du bist mein Partner ?«
    »Partner ? Bei was denn ?«
    »Bei der Session. Hat Anne nichts gesagt ?«
    Marlies hatte ihre Jacke auf das Flurtischchen gelegt und war in Annes Zimmer getreten. Dort drehte sie sich um die eigene Achse und nahm alles, die Bilder an den Wänden, das Bett, das Podest und die Staffelei in Augenschein.
    »Nein, sag du’s mir.« Martins Tonfall mußte ärgerlich geklungen haben, denn sie sah ihn nur stumm und forschend an, so als überlege sie, ob er vielleicht durchdrehe und man sich seiner erwehren müßte. Dann setzte sie sich aufs Podest und stützte sich links und rechts mit flachen Händen ab. »Wir schlafen miteinander.«
    »Was ?«
    »Und Anne zeichnet uns dabei.«
    »Das ist nicht wahr.« Martin fühlte sich schwindlig und hätte sich auch gern irgendwo abgestützt.
    »Noch nicht.«
    Marlies schaute zu Boden, vielleicht, damit er in Ruhe seine Fassung wiedergewinnen konnte. Sie senkte den Kopf bis fast auf ihre Knie und ließ die Hände auf dem Holz des Podestes neben sich liegen. Es sah aus wie eine Yogaübung. Dann schaute sie auf zu ihm. Er starrte sie nur unverwandt an.
    »Du kennst mich doch überhaupt nicht.«
    »Nein.«
    »Und das macht dir nichts ?«
    »Nein, ich glaube nicht.«
    »Bist du auch Künstlerin ?«
    Sie lächelte und schüttelte den Kopf. »Nein, Kunstgeschichte. Anne hat mich gebeten, ihr mit dir
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