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Der langsame Tanz

Der langsame Tanz

Titel: Der langsame Tanz
Autoren: Thommie Bayer
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ihren anfallartigen Heißhunger.
     
    *
     
    »Hallo«, sagte sie dann eines Abends, als er müde die Tür ins Schloß zog. Er hatte schon von draußen das Licht in ihrem Zimmer gesehen und erschrak deswegen nicht, als sie ihm gegenüberstand. Auch sie mußte gehört haben, daß er kam, denn sie hielt eins der großen Bilder in den Händen und streckte es ihm entgegen.
    »Das schenk ich dir«, sagte sie, »ich glaub, es ist eins von den besten.«
    »Danke.« Er nahm es und trug es in sein Zimmer.
    Sie folgte ihm auf dem Fuß und stand schüchtern in der Tür. Sie legte die Hand an den Türrahmen und stieß sich federnd ab, wie jemand, der verlegen nach dem richtigen Anfang einer heiklen Aussage sucht. Sie wartete, bis er sich zu ihr umdrehte. »Warst du sehr verletzt ?«
    Der teilnahmsvolle Tenor dieser Frage verblüffte ihn so, daß er viel zu schnell nein sagte und dieses Nein sogar noch mit einer wegwerfenden Handbewegung unterstrich.
    »Ich wollte dich nicht überfahren. Es war mehr so wie ein Geschenk gedacht. Ich dachte, du freust dich und findest es toll.«
    »Mit einer Frau zu schlafen, während du zeichnest ?«
    »Ja. Sie ist doch sehr schön.«
    Martin schüttelte einfach den Kopf. Was sollte er hier groß erklären ? »Das war ein Quasimirgeschenk.«
    »Was ?«
    »Quasimir. Das sind Geschenke, die man anderen macht, aber selber benutzen will. Ich schenke dir Reiz-wäsche, die ich in Wirklichkeit an dir sehen will, du schenkst mir einen Fick, den du in Wirklichkeit zeichnen willst.«
    Sie lächelte. »Einen Fick ? Wie redest du denn auf einmal, ich dachte, du bist ein Romantiker.«
    »Ist ja wohl egal, oder ?«
    In null Komma nichts war der Dialog zum Geplänkel heruntergekommen. Martin wollte nicht plänkeln, nicht so tun, als zankten sie sich wie ein Liebespaar zum Spaß um eine Unwichtigkeit. Es war nicht unwichtig, und ihm war nicht nach Spaß zumute. Und sie waren kein Liebespaar.
    »Ich will aber unbedingt einen Liebesakt studieren«, sagte Anne wie zu sich selber, während sie auf den Boden starrte und mit dem Fingernagel in den Zähnen bohrte, als müsse sie jetzt sofort auf die rettende Idee kommen.
    Martin spürte, daß sich seine Mundwinkel zu einem kleinen Grinsen verzogen. »Im Puff gibt es Paare. Studier doch die.«
    »Es geht nur mit dir«, sagte sie ernst, den Blick noch immer auf die Dielen gerichtet, »andere Männer strahlen das nicht aus.«
    Martin ging in die Küche, um ihr ein Bier aus dem Kühlschrank zu holen. Er öffnete die Flasche und wollte sie ihr bringen, da stand sie schon in der Tür und sagte : »Hast du Lust, mit mir aufs Land zu fahren ?«

45.
     
    Rudi muß Sharon im Treppenhaus begegnet sein, so kurz nach ihrem Weggang steht er auf einmal vor Martin. »Ich hab die Bilder«, sagt er mit einer Stimme, als hätte er jemanden umgebracht. »Stör ich dich bei irgendwas ?«
    »Nein«, sagt Martin müde, »das hab ich schon selber getan.«
    »Sharon ? Ich hab sie unten getroffen.«
    »Mhm.«
    Rudi nimmt die rote Mappe aus seinem Koffer und legt sie auf den Tisch. Er faßt sie an, als wäre sie aus Glas oder könne seine Fingerspitzen kontaminieren. »War teuer«, sagt er. Wieder mit dieser Grabesstimme.
    Martin ist zu unkonzentriert, zu sehr mit Sharons gütigem Verständnis beschäftigt, das er, wie vielleicht jeder Mann in dieser Situation, nur als Verachtung zu interpretieren vermag. Diese Verachtung allerdings berührt ihn nicht. Fast fühlt sich sein Versagen an wie ein glänzender Triumph. Und das erinnert ihn an Anne.
    »Ruf die Schwulen an. Die Bilder sind in einer Woche weg.«
    »Sie sind gut«, sagt Rudi leise.
    »Ich weiß.«
    »Zu gut für irgendwelche schwulen Schlafzimmer, mein ich.«
    »Und wieso das ? Seit wann ist ein Bild zu gut, um es zu verkaufen ? Was würdest du sonst damit tun ?«
    »Ausstellen«, sagt Rudi, und es klingt wie ein Seufzer, »drucken, veröffentlichen, die Malerin berühmt machen. Das ist Klassen über Wunderlich und Bruni und all diesen Wartezimmerkünstlern. Die ist gut. Richtig gut. Der einzige Vergleich, der mir einfällt, ist Leonor Fini.«
    Martin kratzt mit dem Fingernagel auf der Tischplatte. Aber er zeichnet nur eine imaginäre Linie, denn das Eichenholz widersteht seiner gedankenlosen Mühe.
    »Du kannst die in Rom nicht ausstellen. Du hast sofort die Polizei im Laden.«
    »Aber in New York vielleicht ?«
    »In New York ? Was willst du dort ? Und vor allem : Was kannst du dort ?«
    »Ach, ich weiß nicht«, sagt Rudi. »Vergiß
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