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Der Landarzt (German Edition)

Der Landarzt (German Edition)

Titel: Der Landarzt (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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ihrem Napfe löffelte. Arme Alte! Es vergeht nicht ein Tag, wo ich sie nicht in meine Gebete mit einschließe! Möge der liebe Gott ihr da droben ein glücklicheres Leben als hienieden verleihen, vor allem ein besseres Bett; denn sie beklagte sich stets über die schlechte Matratze, auf der wir zusammen schliefen. Sie können es sich nicht vorstellen, meine lieben Herren, wie einem das die Seele verwundet, wenn man nichts wie Beleidigungen, barsche Abweisungen und Blicke erntet, die einem das Herz durchbohren, wie wenn man Messerstiche versetzt bekäme. Häufig bin ich armen alten Leuten begegnet, denen das alles nichts mehr ausmachte, doch ich war für einen solchen Beruf nicht geboren worden. Ein Nein hat mich immer weinen gemacht. Jeden Abend kam ich trauriger zurück und tröstete mich erst, wenn ich meine Gebete gesprochen hatte. Kurz, in der ganzen Schöpfung Gottes gab's nicht ein einziges Herz, dem ich das meine anvertrauen konnte. Nur das Blau des Himmels hatte ich zum Freunde. Wenn der Wind die Wolken fortgefegt, legte ich mich in eine Felsenecke und blickte in den Himmel. Dann träumte mir, ich wäre eine feine Dame. Vom vielen Hinsehen glaubte ich mich in jenem Blau gebadet; in Gedanken lebte ich dort oben, fühlte nichts Drückendes mehr, ich stieg, stieg und wurde ganz froh. Um auf meine Liebesgeschichten zurückzukommen, muß ich Ihnen sagen, daß der Gastwirt von seiner Hündin einen kleinen Hund gekriegt hatte, der artig wie ein Menschenwesen, und weiß und an den Pfötchen schwarzgefleckt war. Ich seh' ihn noch immer, den reizenden kleinen Kerl! Dieser arme Kleine ist das einzige Geschöpf, das mir in jenen Zeiten freundschaftliche Blicke zugeworfen hat; ich hob ihm meine besten Bissen auf, er kannte mich, lief mir des Abends entgegen, schämte sich meines Unglücks nicht, sprang an mir hoch und leckte meine Füße. Er hatte in seinen Augen etwas so Gutes, so Dankbares, daß ich oft weinte, wenn ich ihn ansah.
    ›Das ist also das einzige Wesen, das mich herzlich lieb hat!‹ sagte ich.
    Im Winter schlief er zu meinen Füßen. Ich litt so sehr, wenn ich sah, daß man ihn prügelte, daß ich ihn daran gewöhnt hatte, nicht mehr in die Häuser zu laufen, um dort Knochen zu stehlen, und er begnügte sich mit meinem Brote. War ich traurig, setzte er sich vor mich hin, blickte mir in die Augen und schien mir zu sagen:
    ›Du bist also traurig, meine arme Fosseuse?‹
    Wenn Reisende mir Sous hinwarfen, hob er sie aus dem Staube auf und brachte sie mir, der gute Pudel! Wenn ich diesen Freund behalten hätte, war' ich weniger unglücklich gewesen. Jeden Tag legte ich ein paar Sous beiseite, um fünfzig Franken zusammenzubekommen, damit ich ihn Vater Manseau abkaufen könnte. Als seine Frau eines Tages sah, daß der Hund mich liebte, tat sie, als ob sie in ihn vernarrt wäre. Denken Sie sich, der Hund konnte sie nicht leiden. Diese Tiere wittern die Seele! Sie sehen sofort, ob man sie liebhat. Ich hatte ein Zwanzigfrankenstück oben in meinen Unterrock eingenäht; da sagte ich denn zu Monsieur Manseau:
    ›Mein lieber Herr, ich rechnete damit, Ihnen meine Jahresersparnisse für Ihren Hund anbieten zu können, doch, ehe Ihre Frau ihn für sich haben will, obwohl sie sich kaum um ihn kümmert, verkaufen Sie ihn mir doch für zwanzig Franken; sehen Sie, hier sind sie!‹
    ›Nein, mein Kleinchen,‹ sagte er zu mir, ›behaltet Eure zwanzig Franken. Der Himmel bewahre mich davor, der Armen Geld zu nehmen! Behaltet den Hund. Wenn meine Frau zu sehr schreit, dann geht Ihr eben fort.‹
    Seine Frau machte ihm des Hundes wegen einen Auftritt. Ach, mein Gott, man hätte meinen mögen, das Haus stände in Brand. Und können Sie sich denken, was sie aussann? Als sie sah, daß der Hund an mir hing, daß sie ihn niemals haben könnte, ließ sie ihn vergiften. Mein armer Pudel ist in meinen Armen gestorben ... Ich hab' ihn beweint, wie wenn er mein Kind gewesen wäre, und hab' ihn unter einer Fichte begraben. Sie können sich nicht vorstellen, was ich alles in dieses Grab gelegt habe! Ich sagte mir, wenn ich mich dort hinsetzte, daß ich also immer allein auf Erden sein, daß mir nichts gelingen, daß ich jetzt wieder sein würde, wie ich vorher gewesen war: ohne ein Lebewesen auf Erden, und daß ich in keinem Blicke Freundschaft für mich lesen würde. Eine ganze Nacht bin ich dort unter dem schönen Sternenhimmel geblieben und habe zu Gott gebetet, er möge Mitleid mit mir haben. Als ich auf die Straße zurückkam, sah
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