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Der Kuss Im Kristall

Der Kuss Im Kristall

Titel: Der Kuss Im Kristall
Autoren: Gail Ranstrom
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nichts über ihre Tätigkeit.“
    Alethea hob resolut das Kinn und sagte: „Ich habe darüber nachgedacht, was jetzt zu tun ist. Wie man – wie man …“
    „Gerechtigkeit für deine Tante erwirken könnte?“, vermutete Annica.
    Alethea nickte und machte sich auf einen Sturm der Entrüstung gefasst. Denn genau diese Frage war der heikle Punkt. „Der Mörder kann nicht sicher sein, dass Tante Henrietta tot ist, denn als er ging, lebte sie noch. Ich habe vor, in ihrer Verkleidung aufzutreten und ihn zu entlarven.“
    „Was? Nein! Das kannst du nicht machen!“, riefen die Damen wie aus einem Munde.
    Annica und Sarah tauschten besorgte Blicke.
    „Madame Zoe war die führende Wahrsagerin Londons. Alle wichtigen Leute haben ihren Salon aufgesucht. Wie willst du den gesamten ton täuschen?“, fragte Sarah.
    Alethea seufzte. „Tante Henrietta und ich, wir haben beide von einer Zigeunerin, die einmal auf dem Anwesen der Lovejoys weilte, das Lesen von Tarotkarten gelernt. Ich habe mich darüber lustig gemacht, aber die alte Frau sagte mir, dass der Zauber echt wäre und dass ich es eines Tages verstehen würde“, meinte sie. „Damals war es nur ein Spiel, aber es hat Spaß gemacht, und ich erinnere mich noch immer an die Bedeutung der einzelnen Karten. Ich werde Tante Henriettas Witwenkleidung anlegen und leise und mit französischem Akzent sprechen. Früher oder später wird der Mörder zurückkehren müssen.“
    „Um dich umzubringen“, sagte Charity. „Das ist zu gefährlich. Er wird im Vorteil sein, denn er weiß, dass Zoe ihn identifizieren kann. Aber du wirst ihn nicht erkennen. Ach, wenn wir doch nur irgendeinen Hinweis hätten!“
    Alethea blickte auf ihre geschlossene Faust. „Einen habe ich zumindest schon. Ich fand das hier auf dem Boden neben ihr.“ Sie öffnete ihre Hand und zeigte einen schwarzen Raben aus Onyx, der auf einer goldenen Nadel saß. Seine Augen waren aus Diamanten. Die Damen beugten sich vor, um den Gegenstand zu betrachten.
    „Erstaunlich“, bemerkte Annica. „Und wenn ich mich nicht täusche, auch sehr wertvoll. Der Mörder wird Zoe suchen, aber auch seine verlorene Nadel.“
    „Ich kann mir noch immer nicht vorstellen, wie er sich Zutritt zu Zoes Räumlichkeiten verschaffen konnte“, rätselte Charity. „Ich dachte, man müsste stets über ihren Agenten einen Termin vereinbaren. Ein Mann mit Namen Mr. Evans.“
    „An jenem Abend hatte Tante Henrietta keine Termine. Entweder der Mörder traf sie zufällig in ihrem Salon an, oder er verfolgte sie, bis sie allein war.“ Aletheas Stimme klang brüchig vor Kummer und Zorn.
    Grace schob eine Strähne ihres haselnussbraunen Haares zurück und nickte. „Wir hoffen, der Mörder ist so verwirrt durch Zoes Überleben, dass er einen Fehler begehen wird. Und wir können sicher sein, dass er nicht nach Miss Alethea Lovejoy aus Little Upton, Wiltshire, Ausschau halten wird. Aber wenn Alethea als Zoe in dem Salon über Madame Maries Schneidergeschäft ihre Dienste anbietet, wird sie zweifellos in Gefahr sein. Vielleicht sollte eine von uns sich in dem kleinen Ankleidezimmer verstecken, wann immer Alethea sich dort befindet.“
    „Ich habe eine Idee!“, rief Charity aus. „Wir sollten Mr. Renquist bitten, in Zoes Salon einen Glockenzug zu installieren, der in La Meilleure Robes Nähstube unten läutet. Dann kann Alethea Hilfe herbeiholen, sobald etwas nicht stimmt.“
    Alethea entsann sich, dass Mr. Renquist, der Ehemann von Madame Marie, Chefermittler der Mittwochsliga war und eine Legion der Bow Street Runners unter seinem Befehl hatte. Es tröstete sie, ihn in Rufweite zu wissen. Vielleicht würde sie auf diese Weise überleben.
    Lady Annica sah Alethea eindringlich an. „Wenn du darauf bestehst, das zu tun, Alethea, dann hast du unsere volle Unterstützung. Ich werde überall herumerzählen, dass Madame Zoe einen Unfall hatte und durch eine Kopfverletzung teilweise das Gedächtnis verlor. Vielleicht wird das den Mörder glauben machen, dass Madame Zoe ihn nicht verraten kann.“
    „Trotzdem habe ich ein ungutes Gefühl“, setzte Grace an. „Wir geben dir freie Hand, aber nur bis Ende des Monats, Alethea. Danach müssen wir die Behörden benachrichtigen. Eine solche Untat darf nicht ungesühnt bleiben.“
    Alethea holte tief Luft. Sie war froh, mit dem Beistand der Mittwochsliga rechnen zu können, auch wenn sie nur wenig Zeit hatte. Nun war Eile geboten. „Ich werde sofort anfangen.“

1. KAPITEL
    London, 12. Dezember
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