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Der Kuss des Jägers

Der Kuss des Jägers

Titel: Der Kuss des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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gern Kafziel wohl
dort eingedrungen wäre und ohne Zeugen zu ihm gesprochen hätte. Der Triumph
schmeckte bitter, denn Jean ahnte, dass es sein letzter war.
    »Ist dir das Leben der kleinen Schlampe wirklich so viel wert?«
    War es das? War er wirklich bereit, sein Leben zu geben, um sie zu
retten? Es ist die logische Konsequenz aus allem, was ich
bin und getan habe. Wenn er sie sterben ließ, was war sein Kampf dann
wert? Dann wäre er nur irgendein Spinner, der sein Leben damit verschwendete,
Perversen bei ihrem Treiben zuzusehen. Er dachte an Marie-Claire, wie sie im
Schlafzimmer seiner Eltern in ihrem Blut gelegen hatte. Nein, Lilyth sollte
nicht enden wie seine Schwester. »Ja.«
    Kafziel schmunzelte. »Also schön. Aber ich habe eine Bedingung. Sie
ist besessen, wie du weißt. Besitz gegen Besitz, würde ich meinen. Ich will,
dass du dich mir öffnest. Du, der große Streiter wider die Dämonen.«
    Jeans Herz verkrampfte sich. Er spürte die Kälte, das lauernde Böse
schon jetzt so stark, dass ihn grauste. Aber kam es darauf noch an? Wenn es die
einzige Bedingung war, konnte er den Handel nicht daran scheitern lassen.
»Einverstanden.«
    Was wohl in den anderen vorging? Begriffen sie, was geschah? Wer
dieser Mann war? Dass er kein Mann war? Er konnte
ihre Gesichter nicht sehen, und sie schwiegen. Nur Henris Atem pfiff leise über
ihm.
    Der Dämon nickte – ein Mal. »Gut. Ich will es hören. Sprich es aus!«
    Es war ein Ritual, eine Weihe. In dem Moment, da er es aussprach,
würde er den Gedanken Realität werden lassen. Sein Innerstes würde Kafziel
offen stehen, um es in Besitz zu nehmen. Jedem Schutz vor dem Dämon würde er
entsagen. Er stutzte. Was geschah, wenn …
    »Sprich es aus!«, donnerte Kafziel.
    Es sei! »Ich rufe Satan und seine Engel zu
Zeugen an, dass ich dir gestatte, von mir Besitz zu ergreifen. Ich bin das
Opfer, das sich selbst erwählt hat, gegen den Willen des Herrn.«
    Der Dämon stand auf, doch seine erdrückende Präsenz blieb über Jean
gebeugt, tastete mit eisigen Fingern über seine Haut, sickerte hindurch. Er
begann zu frieren, suchte Lilyths Blick, die ihn mit offenem Mund anstarrte,
während Kafziels Körper oder Abbild – Jean vermochte es nicht mehr zu
unterscheiden, da ihn die düstere Aura umfing – zurückwich. Das Böse drang in ihn,
breitete sich aus, als spritze ihm ein sadistischer Arzt flüssiges Blei in die
Adern, das kalt statt heiß war und seine Glieder starr und schwer machte. Er
spürte, wie das Grauen sein Herz umschloss und sich anschickte, auch diesen
letzten warmen Fleck auszulöschen. Das Grauen würde ihn nicht töten. Dazu
brauchte es noch immer den Dolch. Doch wenn Kafziel über sein Herz gebot, würde
er die Klinge willenlos ihr Werk vollbringen lassen.
    »Was zur Hölle …«, hob Arnaud an.
    Lilyths Blick zuckte zu Kafziel, und Jean folgte ihm wie von selbst.
    Der Dämon verblasste. »Ich hole mir, was mir zusteht.« Er deutete
auf Lilyth. »Tötet sie!«

    Die Tropfen trafen Kafziel, sprenkelten sein Gesicht, die
behaarten Hände, die schwarze Robe, in der Sophie die Ritualkleidung der
Satanisten wiedererkannte. Er erstarrte mitten in der Bewegung. Sein Blick
richtete sich nach innen oder in weite Ferne. Sie konnte nur raten, stand vor
Angst und Ratlosigkeit über den nächsten Schritt wie gelähmt. Rauch kräuselte
sich, wo das Weihwasser den Dämon benetzte. Blitzschnell wölbten sich kleine
Brandblasen auf seiner Haut und platzten, sodass darunter rohes Fleisch zum
Vorschein kam. Löcher rissen in der Robe auf, breiteten sich aus, als hätte sie
ihm Säure entgegengeschleudert, die sich durch Stoff und Haut fraß. Sie konnte
den Blick nicht von den Rändern lösen, von denen der Qualm aufstieg, während
die Fasern versengten. Das Gebrüll der Kämpfenden über ihr war nur noch ein
Rauschen in ihrem Ohr.
    Jean. Warum fiel er ihr ausgerechnet jetzt
ein? Mit einer Ahnung von Gefahr und Verzweiflung? Wo war er? Hatte er Kafziels
neues Opfer gefunden und gerettet? Fragend sah sie zur Miene des Dämons auf,
als ob sie Antworten von ihm erwarten könne. Ein höhnisches Grinsen breitete
sich auf seinen verblassenden Zügen aus, dann war er mit einem Mal
verschwunden.
    Was war geschehen? Ein rascher Blick verriet ihr, dass die Vitrine
unversehrt und das magische Siegel noch darin war. Hatte sie gewonnen?
Angesichts des spöttischen Ausdrucks in Kafziels Gesicht kam es ihr absolut
nicht so vor. Aus irgendeinem Grund hatte er sich zurückgezogen, aber

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