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Der Kuss der Sirene

Der Kuss der Sirene

Titel: Der Kuss der Sirene
Autoren: Mandy Hubbard
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Arme um mich. Durch den Schwung landen wir beide im See.
    Doch irgendetwas stimmt nicht. Wir bewegen uns rückwärts ins tiefere Wasser, aber ich merke nichts davon, dass Erik seine Beine bewegt. Ich blicke nach unten und plötzlich schlägt mir das Herz bis zum Hals. Ich habe ihn nie danach gefragt, wie er im Wasser aussieht. Anstelle der Beine hat er nun zwei rote Riesententakel, mit denen er sich durchs Wasser schlängelt. Rot ist seine Lieblingsfarbe.
    Ich hebe die Hände, lege sie auf seine Brust und drücke mich, so fest ich kann, von ihm weg. Dank des Wassers lockert sich sein Griff und ich schlüpfe zwischen seinen Armen hindurch. Sobald ich genug Abstand habe, tauche ich ab und bringe mich schwimmend aus seiner Reichweite.
    Ich durchbreche die Wasseroberfläche und atme stoßweise, während mir Wasser in die Augen rinnt. Ich blinzle und entdecke erleichtert Cole am Ufer. Er robbt durch den Schlamm, hustet und spuckt Wasser. Seine Hände hat er nicht befreien können.
    Als ich mich schon in Sicherheit wähne, packt mich Erik am Knöchel. Ich gleite zurück ins tiefe Wasser und er zieht mich nach unten. Im letzten Moment atme ich noch einmal tief ein, dann gehe ich unter.
    Ich versuche meinen Herzschlag zu verlangsamen, damit der Sauerstoff länger hält, aber ich schaffe es nicht. Eriks Tentakel haben mich fest im Griff. Er zieht mich immer tiefer hinab. Er will mich ertränken.
    Ich winde mich und kämpfe gegen seinen Klammergriff. Vergeblich. Ich kralle mich in den Grund des Sees, suche verzweifelt irgendetwas, an dem ich mich festhalten kann, doch meine Finger rutschen immer wieder aus dem Schlick. Da gleiten sie auf einmal über etwas Hartes hinweg, aber die Berührung ist so kurz, dass ich den Gegenstand nicht identifizieren kann. Mit einem plötzlichen Ruck zerre ich Erik zurück – nur ein paar Zentimeter, aber es reicht, um das Ding wiederzufinden.
    Ein Stock. Länger, aber ein wenig dünner als ein Baseballschläger. Doch bei all dem Schlamm und Dreck, den wir aufwirbeln, kann ich kaum was erkennen. Ich greife mit beiden Händen nach dem Stock, dann hole ich mit ganzer Kraft aus, schlage Erik damit ins Gesicht und treffe seine blau glühenden Augen.
    Das Wasser bremst den Schlag etwas, trotzdem erzielt er die gewünschte Wirkung: Erik lockert seinen Griff. Ich sause davon, schneller als jemals zuvor. Sobald ich flacheres Wasser erreiche, tauche ich auf und ringe nach Luft.
    Cole hat die Gürtelfessel inzwischen irgendwie aufbekommen, lässt sie am Ufer fallen und läuft jetzt in den See, als wollte er mich retten. Wenn ich nicht einschreite, ist er ertrunken, bevor er merkt, was passiert.
    Â»Verschwinde! Lauf!«, rufe ich ihm zu.
    Endlich habe ich wieder Boden unter den Füßen und wate aus dem Wasser. Je weiter wir an Land sind, umso besser. Im Wasser haben wir verloren.
    Cole zögert für den Bruchteil einer Sekunde, doch dann dreht er sich um und rennt los. Er kracht direkt in einen Strauch und fällt hin. Meine nackten Füße rutschen durch den Schlamm, aber ich schaffe es, ihm aufzuhelfen und schiebe ihn zum Pfad. Er beginnt wieder zu rennen, das Unterholz knackt unter seinen Füßen.
    Das ist das Letzte, was ich sehe, bevor sich Eriks Hand über meine Augen und meinen Mund legt und ich nach hinten ins Wasser gerissen werde. Diesmal habe ich keine Zeit mehr, Luft zu holen.
    Er drückt mich mit eisernem Griff an seinen Körper und hält meine Arme dabei an der Seite fest. Ich kämpfe, aber er ist zu stark. Er wirbelt uns unter Wasser ein paarmal wie in einer Waschmaschine herum, bis ich nicht mehr weiß, wo oben und wo unten ist.
    Mir geht langsam die Luft aus. Meine Lunge brennt. Ich bin dabei zu ertrinken.
    Erik hält inne, aber er lässt mich nicht los. Er drückt sogar noch fester zu, als wollte er alles Leben aus mir herausquetschen. Schwarze Punkte tanzen vor meinen Augen. Ich kann das nicht zulassen. So will ich nicht sterben. Ich strample mit all meiner verbleibenden Kraft – vergebens.
    Doch auf einmal zieht etwas magisch meine Aufmerksamkeit an. Augen. Haselnussbraune Augen. Coles Gesicht nähert sich dem meinen, als wollte er mich küssen. Und dann legen sich seine Lippen …
    Bilde ich mir das nur ein? Träume ich in meinen letzten Momenten von Cole?
    Nein, nein, er küsst mich nicht, er … atmet für mich! Ich sauge die geschenkte Luft ein,
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