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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz
Autoren: Merciel Liane
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Gesegnete, und es war anmaßend von ihr, deren Privilegien für sich zu beanspruchen.
    Es war ihr gleichgültig. Zu ihrer Überraschung sah sie, dass es Lord Aegelmar ebenfalls gleichgültig war. Weit davon entfernt, gekränkt zu sein, beobachtete er sie mit einem Glitzern gewitzter Erheiterung in den silbern gesprenkelten Augen. Es kam seinen Zwecken entgegen, ihr den Status einer Gesegneten zu gewähren, begriff Bitharn: Es verlieh ihrem Bericht größere Autorität, als wenn sie lediglich eine bescheidene Geweihte gewesen wäre.
    »Man erzählt mir, Ihr wäret mit dem Verbrannten Ritter ausgezogen, um Nachforschungen über das Gemetzel bei Weidenfeld anzustellen«, begann Lord Aegelmar. Er hatte die Stimme eines Kommandanten, klar und stark. »Man erzählt mir, Ihr hättet die Antworten gefunden.«
    Ein weiches, weißes Leuchten umgab das Podest, während er sprach. Mit einem jähen, krampfhaften Schmerz erkannte Bitharn das Licht der Wahrheit. Wenn Kelland dieses Gebet nicht über dem Leichnam des Bäckers gesprochen hätte – wenn er nicht allein davongeeilt wäre, um die Herausforderung der Dorne anzunehmen –, wäre er derjenige, der diesen Bericht erstattet hätte, nicht sie. Wie es hätte sein sollen.
    Sie schüttelte den Gedanken ab und versuchte, sich zu konzentrieren. Lord Aegelmar und seine Gastgeber wussten bereits, was sie zu sagen beabsichtigte; das Licht der Gesegneten Eliset war einzig dazu bestimmt, den versammelten Edelleuten und Soldaten zu zeigen, dass ihre Worte keine Lügen bargen. Es war alles Theater, aber darum war es noch wichtiger, dass Bitharn ihre Rolle perfekt spielte.
    »Eine Antwort, Mylord.« Wieder neigte sie den Kopf und hielt Aegelmar die abgerissene Seite hin, auf der Albric sein Geständnis niedergeschrieben hatte. Einige der näher stehenden Ritter reckten den Hals, als könnten sie den Brief aus einer Entfernung von zehn Schritten lesen. »Albric Urdaring, der einst Schwertmeister von Bullenmark war, hat diesen Brief kurz vor seinem Tod an seinen Lord geschrieben. Ich habe ihn in seinem Zelt gefunden, zusammen mit dem Kind, das die Ghaole verletzt hatten, nachdem … nachdem Albric und Sir Kelland die Dornenlady und ihre Kreaturen gefunden hatten.«
    »Der Eichenharner ist bei diesem Kampf gestorben, nicht wahr? Zusammen mit dem Verbrannten Ritter und der Dorne.«
    »Albric ist gestorben, ja, Mylord. Die anderen – über die anderen weiß ich nichts. Nicht mit Gewissheit. Sie haben keine Leichname hinterlassen. Albric erzählte mir im Sterben, dass sie in den Schatten verschwunden seien, aber da war so viel Blut im Schnee …«
    »Ich bitte Euch nicht, Spekulationen anzustellen. Also: Der Schwertmeister hat gestanden und ist gestorben. Was haltet Ihr davon?«
    »Ich bin ihm nur ein einziges Mal begegnet, Mylord. In der Nacht vor seinem Tod traf Albric in einer Taverne mit uns zusammen und bat uns, ihm zu helfen, die Dornenlady zu hintergehen. Er war …« Sie schüttelte den Kopf und suchte nach den richtigen Worten, die den Schmerz einfangen sollten, der an dem Mann genagt hatte. »Er war ein Mann, der ganz und gar von Schuld verzehrt wurde. Sie hat wie ein Krebsgeschwür an ihm genagt. Damals wusste ich nicht, warum. Aber wenn ein Zehntel seines Geständnisses der Wahrheit entspricht, hat er diese Schuld und mehr zurecht verspürt.«
    »Ach ja?«
    »Es steht in seinem Geständnis: Er hat seinen Lord und seine Gelübde wegen einer alten Kränkung verraten. Weil Lord Ossaric ihn vom Schwertmeister zu einem Ritter ohne Grund und Boden degradiert hatte, plante er, das größte Glück im Leben seines Lords zu zerstören. Eifersucht und Stolz trieben ihn dazu, sich mit einer Dorne zu verschwören. Einer Dorne. Er hat es bitter bereut, nachdem ihm klar geworden war, auf welche Weise sie ihn in die Falle gelockt hatte, aber da war der Schaden bereits angerichtet.«
    »Glaubt Ihr ihm?« Aegelmar musterte sie eingehend. Er hatte das Blatt noch immer nicht entgegengenommen.
    Bitharn zögerte. Dann nickte sie. »Ja. Ich glaube, er hat sich mit der Dorne verschworen, um Sir Galefrid, seine Gemahlin und ihr Kind zu töten. Ich glaube, die Dorne hat die Bewohner Weidenfelds getötet, um Euer Königreich in einen Krieg mit Eichenharn zu locken. Albric … Albric bedauerte das Massaker von Weidenfeld. Aber sobald er sich an dieses Ungeheuer gebunden hatte, gab es für ihn keinen anderen Ausweg mehr als den Tod.«
    Endlich nahm Lord Aegelmar den Brief an sich, öffnete ihn jedoch nicht.
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