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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman
Autoren: H kan Nesser
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Platz. Vier Zimmer und Küche. Dünen, Strand und Meer ... Renate und er. Jess und die Zwillinge ...
    Er wunderte sich darüber, wie sorgfältig sie die Sache geplant hatte. Das Gespräch hatte schon eine ganze Weile gedauert, getrieben von den günstigen Winden seines guten Willens, wie es schien, und dann waren plötzlich die Fragen und dieser Vorschlag vollkommen überraschend auf ihn niedergeprasselt. . . Er hätte es besser wissen müssen. Verdammt, wurde er denn nie schlauer?
    Hatte er nicht im August Urlaub? Da würde doch Jess endlich für ein paar Wochen nach Hause kommen. Wie wäre das schön, die Enkelkinder mit Großvater und Großmutter gemeinsam... (der Teufel und seine Großmutter! war ihm da eingefallen, und er musste mitten in seiner Überraschung lachen)... Das Haus war so ziemlich das Letzte gewesen, sie hatte sich erst spät darum gekümmert, und die meisten waren schon belegt gewesen. Wenn er seine Ruhe haben wollte, würde ihn nichts daran hindern, es gab genügend Platz für Privatsphäre, wie gesagt. Sowohl drinnen als auch draußen ...
    Eine gewisse Planung lag mit Sicherheit dahinter. Das war eine klassische Überrumpelung, dachte er. Eine typische, elegante Überrumpelung seitens seiner ehemaligen Ehefrau, die in alten, trüben Wassern fischte. Verdammte Scheiße.
    Er stellte die Stereoanlage an und gleich wieder aus.

    Jess und die Kinder ...
    »Wie schade«, hatte er geantwortet.
    Und Erich hatte auch versprochen zu kommen, zumindest für ein paar Tage.
    »Wie schade, meine Liebe. Das ist dir zu spät eingefallen. Ich habe schon gebucht.«
    »Gebucht?« Ihre Augenbrauen waren in ehrlichem Zweifel in die Höhe geschossen. »Du hast gebucht?«
    »Kreta!«, stieß er auf gut Glück aus. »Zwei Wochen vom Ersten an.«
    Sie glaubte ihm nicht. Das sah er sofort, die eine Augenbraue sank zurück in die Ausgangsposition, während die andere wie ein stummer, geknickter Verweis in der Stirn haften blieb.
    »Kreta«, wiederholte er vollkommen unnötigerweise. »Rethymnon, aber ich wollte auch rüber auf die Südseite ... und, tja ...«
    »Fährst du allein?«
    »Allein? Verdammt, natürlich fahre ich allein. Was denkst du denn?«
    Er krachte mit dem linken Vorderrad gegen den Rand einer Verkehrsinsel und fluchte laut und herzhaft.
    Ein Vierteljahrhundert also! Fünf Jahre in Freiheit, und immer noch war sie da und konnte aus dem Hinterhalt ihre Pfeile abschießen. Worauf war sie eigentlich aus? Er erschauerte mitten in der Sommerhitze. Wischte sich mit dem Taschentuch über den Nacken. Bog auf den Rejmer Plejn ab und fand einen freien Parkplatz unter einer der Ulmen.
    Kreta? dachte er und stieg aus. Warum eigentlich nicht? Ja, genau. Warum eigentlich nicht! Wenn man die Unschuld mit einem neuen Hymen wiederherstellen konnte, dann dürfte es doch wohl eine einfache Sache sein, aus einer Notlüge eine rückwirkend fungierende Wahrheit zu machen.
    Ich drücke mich heute ja elegant aus, dachte er bei sich. Beim Teufel und seiner Großmutter! Eine rückwirkend fungierende Wahrheit! ... Ich sollte noch heute mit meinen Memoiren beginnen.

    Er überquerte den Marktplatz. Schob sich einen Zahnstocher in den Mund und betrat das Reisebüro an der Ecke.
     
    Die Frau, die vorne am Schalter saß, hatte ihm den Rücken zugekehrt, und es dauerte eine Weile, bis ihm klar wurde, wer sie war. Ihr kastanienbraunes Haar war seit dem letzten Mal noch ein bisschen kastanienbrauner geworden, und ihre Stimme hatte eine deutlich hellere Tonlage angenommen.
    Dem Teufel sei Dank.
    Ulrike Fremdli. Als er sie das letzte – und einzige – Mal getroffen hatte, war gerade ihr Ehemann ermordet worden. Van Veeteren rechnete kurz nach und kam zu dem Schluss, dass es im Februar gewesen sein musste. Im vergangenen Februar – diesem feuchtkalten, gottverlassenen Monat, der gelobten Zeit der Hoffnungslosigkeit, wie Mahler es zu nennen pflegte. Sie hatten in einem einfachen, aber gemütlichen Wohnzimmer in einem ganz normalen, gemütlichen Reihenhaus draußen in Loewingen gesessen. Er und Ulrike Fremdli, die frisch gebackene Witwe. Er hatte ihr die üblichen, klinisch trostlosen Fragen vorgelegt, und er war von ihrer Art beeindruckt gewesen, mit ihnen umzugehen.
    Mit den Fragen und mit ihrer eigenen, schockartigen Trauer. Als er sie verließ, war ihm klar gewesen, dass er einer Frau begegnet war, in die er sich hätte verlieben können. Vor dreißig Jahren. Zu der Zeit, als er sich noch verliebte. Er hatte auch später immer
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