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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman
Autoren: H kan Nesser
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bemerkt, dass eines der anderen Mädchen in ähnlicher Weise reagierte.
    Plötzlich war das Weinen wieder in ihr. Ohne Vorwarnung brannte es in ihrem Hals, und dann liefen ihr die Tränen über die Wangen, sodass sie gezwungen war, sich an den Wegrand zu setzen. Sie wollte nur eine Weile dort sitzen bleiben, um die
Tränen laufen zu lassen, wollte warten, bis alles vorbei war. Es war doch lächerlich, mitten auf dem Weg dahinzuspazieren und dabei zu heulen. Auch wenn es bestimmt nicht später als sechs oder halb sieben war und obwohl sie kaum Gefahr lief, einem Menschen zu begegnen – so war es doch peinlich.
    Sie zog ein Taschentuch aus ihrem Rucksack und putzte sich die Nase. Blieb dann sicherheitshalber noch einige Minuten sitzen – und gerade als sie aufstehen wollte, um weiterzugehen, hörte sie einen Zweig in der Nähe knacken. Und mit einer schnell anwachsenden Gewissheit wurde ihr klar, dass sie ganz und gar nicht so allein war, wie sie geglaubt hatte.

II
17. – 18. Juli

2
    »Und wer hat das behauptet?«, fragte Jung und öffnete eine Coca-Cola-Dose. »Dass er aufhören will, meine ich?«
    Ewa Moreno zuckte mit den Schultern.
    »Keine Ahnung, woher das Gerücht kommt«, sagte sie. »Aber Rooth und Krause haben gestern in der Kantine darüber geredet ... wundern würd’s mich aber nicht.«
    »Was?«, fragte Jung. »Was würde dich nicht wundern?« Er nahm ein paar kräftige Schlucke und versuchte anschließend nicht zu rülpsen.
    »Dass er die Nase voll hat, natürlich. Er ist jetzt mindestens fünfunddreißig Jahre dabei. Und wie lange willst du noch weitermachen?«
    Jung überlegte, während er diskret eine Wolke Kohlensäure durch die Nase ausstieß.
    »Manchmal wird man ja auch schon vorzeitig abgeschossen«, sagte er. »Wenn man Glück hat, meine ich. Nein, ich versuche mich fit zu halten, indem ich gar nicht darüber nachdenke. Willst du?«
    Er reichte ihr die Dose, und Moreno trank sie bis zum Boden leer.
    »Verdammte Hitze«, sagte sie. »Ich glaube, ich habe seit heute Morgen drei Liter getrunken. Aber übrigens, du kannst doch Münster fragen. Wenn jemand es weiß, dann er.«
    Jung nickte.
    »Wie alt ist er?«
    »Wer? Münster?«

    »Nein, der Hauptkommissar natürlich. Er ist doch noch nicht sechzig, oder?«
    »Keine Ahnung«, sagte Ewa Moreno. »Wie lange müssen wir hier eigentlich noch herumhängen? Es passiert ja doch nichts. Außer dass das Gehirn anfängt zu kochen.«
    Jung schaute auf seine Uhr.
    »Noch eine Stunde laut Befehl.«
    »Fahr noch eine Runde«, sagte Moreno. »Dann kommt wenigstens noch etwas Zug in die Geschichte. Es ist ja wohl nicht Sinn der Sache, dass wir hier sitzen und uns einen Sonnenstich holen. Oder was meint der Inspektor?«
    »Man muss bereit sein, auf seinem Posten zu sterben«, erwiderte Jung und startete das Auto. »Das steht im Reglement. Jedenfalls fände ich es verdammt schade, wenn er abspringen würde ... Es ist zwar manchmal nicht ganz einfach, aber trotzdem. Wohin soll’s denn gehen?«
    »Zum Kiosk, um noch mehr Cola zu kaufen«, sagte Moreno.
    »Euer Wille ist mir Befehl«, erklärte Jung. »Aber ich glaube, ich nehme diesmal was ohne Kohlensäure. Verdammt, guck dir das an! Obwohl, es hängt schließlich in der Sonne ...«
    Er deutete auf das gigantische Thermometer am Giebel der Schwimmhalle.
    »Siebenunddreißig Grad«, stellte Moreno fest.
    »Genau! So warm wie das Blut, nicht mehr und nicht weniger.«
    »Ich habe Durst«, sagte Moreno.
     
    Kommissar Van Veeteren kroch ins Auto und schloss die Augen.
    »Diese Frau!«, knurrte er. »Und dieser Frau habe ich mein Leben geschenkt.«
    Er stöhnte. Das Auto hatte über eine Stunde in der knallenden Hitze auf dem Marktplatz gestanden. Als er jetzt die Hände aufs Lenkrad legte, hatte er kurz den Geruch verbrannten Fleischs in der Nase. Zum Teufel, dachte er. Diesen Weg müssen wir alle mal gehen.

    Der Schweiß lief ihm den Körper hinunter. Übers Gesicht, den Nacken und unter den Achseln. Er kurbelte die Scheiben herunter und wischte sich sorgfältig die Stirn mit einem zweifelhaften Taschentuch ab.
    Betrachtete anschließend das nasse Tuch. Bestimmt waren auch ein paar Tropfen kalter Schweiß darunter.
    Fünfundzwanzig Jahre meines Lebens! korrigierte er sich und startete den Wagen. Bog aus der Parkbucht. Ein Vierteljahrhundert!
    Und jetzt hatte sie versucht, ihm noch einmal zwei Wochen zu stehlen. Er ging erneut ihr Gespräch durch.
    Die Hütte draußen bei Maalvoort. Ja, vielen Dank ... Viel
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