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Der Komet im Cocktailglas

Der Komet im Cocktailglas

Titel: Der Komet im Cocktailglas
Autoren: Florian Freistetter
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seiner Sicht mit 700 km/h RichtungOsten davonsausen. Die Geschwindigkeit, mit der uns die Erde bewegt, spielt nur solange keine Rolle, wie sich auch alles andere mit der gleichen Geschwindigkeit bewegt. Bei einem schnellen Ortswechsel ist das aber nicht mehr der Fall.
    In der Realität passiert so etwas natürlich nicht. Wir können uns nicht einfach hin und her beamen. Aber die Luft bewegt sich problemlos rund um die Erde. Sie fließt vom Äquator in Richtung Norden oder Süden und ist dann genau mit dem gleichen Problem konfrontiert wie wir in unserem Gedankenexperiment. Aus der Sicht der schnellen, vom Äquator nach Norden strömenden Luft dreht sich die Erde immer langsamer, je weiter sie nach Norden kommt. Und so, wie wir aus Sicht unseres Chefs nach Osten rauschten, nachdem wir vom Äquator nach Berlin gebeamt worden waren, bewegt sich nun auch die Luft schneller nach Osten als die Erde unter ihr. Vom Erdboden sieht es so aus, als würde die nach Norden strömende Luft umso stärker nach Osten abgelenkt, je weiter sie nach Norden strömt. Befindet sich nun ein Tiefdruckgebiet irgendwo über Europa, dann strömt die Luft aus allen Richtungen darauf zu. Die Luft, die aus dem Süden kommt, wird nach Osten abgelenkt. Die Luft aus dem Norden dagegen nach Westen. Luft strömt also nicht auf direktem Weg in das Tiefdruckgebiet, sondern bildet eine Spirale, die sich gegen den Uhrzeigersinn dreht. 3
    Man nennt diesen Ablenkungseffekt auch Corioliskraft. Sie ist für den Wind verantwortlich, der sich um die Hoch- und Tiefdruckgebiete bewegt. Nicht verantwortlich dagegen ist sie für die Richtung, in der das Wasser im Abfluss Strudel bildet. Es wird gerne behauptet, auf der Nordhalbkugel würde das Wasser gegen den Uhrzeigersinn abfließen und auf der Südhalbkugel im Uhrzeigersinn. Theoretisch übt die Corioliskraft tatsächlich den gleichen Einfluss auf das Wasser aus wie auf die strömende Luft. Ein Klo, ein Waschbecken oder eine Badewanne sind allerdings viel zu klein, als dass der Effekt hier irgendeine Wirkung haben kann. In welche Richtung das Wasser abfließt, hängt von der Form des Beckens ab und von der Richtung, in der sich das abströmende Wasser gerade zufällig zum Abfluss bewegt.
    Das Wetter und den Wind, der unsere Frisur durcheinanderbringt, verdanken wir also der Rotation der Erde. Aber warum dreht sie sich eigentlich? Könnte es nicht zumindest auch theoretisch so sein, wie es sich die Wissenschaftler der Antike vorgestellt haben? Da dachte man ja noch, die Erde wäre das unbewegte Zentrum des Alls und alles würde sich um sie herumbewegen? Wie kommt es, dass sich die Erde und alle andere Planeten um ihre eigenen Achsen drehen?
    Den Grund dafür finden wir in der Vergangenheit, vor etwa 4,5 Milliarden Jahren. Damals gab es noch keine Planeten. Es gab noch nicht mal eine Sonne. Dort, wo sich heute unser Sonnensystem befindet, gab es nur eine riesige Wolke aus Gas und Staub. Dann passierte etwas. Vielleicht zog ein anderer Stern in der Nähe dieser Wolke vorbei. Oder ein Stern in der Nähe explodierte. Was genau damals geschehen ist, können wir heute nicht mehr sagen. Doch wir wissen: Die Wolke wurde gestört. Das Gas und der Staub wurden ein wenig durcheinandergewirbelt. Das Material war nun nicht mehr gleichmäßig verteilt. In einigen Regionen befand sich mehr Staub und Gas als in anderen. Die dichteren Bereiche übten nun eine stärke Gravitationskraft aus als zuvor und begannen, das Gasund den Staub aus der Umgebung anzuziehen. Die Wolke bildete Klumpen, die umso schneller wuchsen, je größer sie wurden.
    Die Verklumpung der Wolke hatte Auswirkungen auf die Bewegung der Teilchen. Sie bewegten sich um die Klumpen herum. Je näher sie den Klumpen kamen, desto stärker wurde ihre Anziehungskraft und desto schneller wurden sie. Auch die Klumpen selbst bewegten sich. Je dichter ein Klumpen wurde, desto schneller begann er sich zu drehen. Wir kennen das Phänomen von Eisläufern. Je enger ein Eisläufer Arme und Beine an sich zieht, je kompakter er also wird, desto schneller dreht er sich. So wie man Energie nicht erzeugen oder vernichten kann, kann auch die Energie der Drehung nicht einfach verschwinden. Genau das Gleiche passierte auch in unserer Wolke. Je mehr Gas und Staub ein Klumpen anzog, desto dichter und kompakter wurde er und desto schneller drehte er sich. Die Klumpen wurden also immer dichter und dichter und zogen immer mehr Material an. In ihrem Inneren wurde es immer wärmer. Sie wurden zu
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