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Der König von Havanna

Der König von Havanna

Titel: Der König von Havanna
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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Aktion raunten ihnen rasch etwas zu. Die neuen Protagonisten sahen in die Kameras. Oh, verstehe. Sie ließen ihre schwarzen Knüppel schön stecken. Alle vier nahmen jetzt den Kerl mit, ganz behutsam, der unbedingt zurück und die Tasche schnappen wollte. Die Leute gingen weiter. Die Touristen machten eine letzte Aufnahme. Alles hatte sich innerhalb von zwei, drei Minuten abgespielt. Die ganze Zeit über hatte Rey auf eine günstige Gelegenheit gelauert. Nichts da. Die Frauen klemmten ihre Handtaschen fest unter den Arm. Kein dummer Tourist war unter den Leuten. Nichts. Er bettelte weiter, ohne Hoffnung, aber er bettelte weiter. Dann zogen Wolken auf. Innerhalb von fünfzehn Minuten bedeckte sich der Himmel mit dicken schwarzen Gewitterwolken. Es blies ein starker Nordwind. Donner und Blitze. Dicke Tropfen regneten herab. Die Straßenhändler sammelten eilig ihre Sachen ein. Rey dachte daran, einem Typen, der Brote mit Spanferkel von einem Karren aus verkaufte, ein paar davon zu stibitzen. Aber er traute sich nicht. Es standen zu viele Leute herum. Da fielen dem Kerl zwei Brote mit gebratenem Spanferkel auf den Boden. Drei Brote. Fast noch ein viertes, das er jedoch in der Luft abfangen konnte. Er machte Anstalten, die heruntergefallenen Brote vom Boden aufzuheben, aber zu viele Leute sahen zu. Nein. Mit einem Satz war Rey beim Karren. Er griff nach den Broten und biss hinein. Hm, Brot mit Spanferkel! Fast hätte er den Typen noch um etwas pikante Sauce gebeten. Aber der Mann sah ihn böse an, und Rey verkniff es sich. Regen und Wind nahmen zu, wurden zu einem dichten Vorhang. Donner und Blitze. Die Leute flüchteten sich in die Hauseingänge. Einige betraten Ultra. Verbrachten die Zeit damit, in einen Laden zu schauen. Schon ließ der Regen nach, und alle wollten weitergehen. Aber er hörte nicht auf. Stunden um Stunden regnete es. Die Leute brachen auf und wurden nass. Nach und nach leerten sich die Hauseingänge. Rey blieb zurück mit seinem Gebettel. Der Typ mit den Spanferkelbroten verkaufte nichts mehr. Um neun Uhr abends warf er die übrig gebliebenen Brote weg. Das Fleisch nahm er heraus und in seinem Karren mit. Es waren achtzehn Brote ohne Fleisch, aber mit Sauce. Unter der höllischen Sintflut sammelte Rey die Brote ein, wickelte sie in einen Polyäthylenfetzen und ging wieder die Ángeles hinunter zum Haus. Bis auf die Haut durchnässt, aber zufrieden kam er an. Magda war nicht da. Um seinem Unmut Luft zu machen, rief er laut: »Verdammt noch mal, seit zwölf Stunden ist sie weg, um Erdnüsse zu besorgen! Muss sie die erst aussäen?« Er aß einige Brote. Das Zimmer wurde von allen Seiten durchnässt. Durch das eingebrochene Dach, die Risse in der Wand und das kleine Fenster, kaum bedeckt von einem Stück Brett, drang Wasser. Inmitten der Dunkelheit – das Wasser lief über den Boden – fand Rey eine trockene Ecke an der Tür. Dorthin legte er den Strohsack und schlief ein zum Rauschen des unablässigen Regens, zu den Windböen und dem Donnern. Am nächsten Morgen regnete es immer noch. Eine Stunde lang hörte es auf, dann regnete es vier Stunden lang intensiv weiter. Woher kam bloß all das Wasser? Rey verbrachte die ganze Zeit allein und aß die Brote. Er machte sich Sorgen wegen Magdas Ausbleiben. »Wahrscheinlich ist sie mit einem dieser alten Kerle zusammen und kommt mit Pesos zurück«, dachte er. Zum Glück blieb das kleine Stückchen Boden trocken. Das übrige Zimmer war geradezu ein Bach. »Hier drinnen kommt mehr Wasser runter als draußen«, dachte er. Nachts schlief er ein wenig. Der Tag brach an. Es regnete immer noch. Langsam wurde es zu viel. Der Wind war abgeflaut. »Vielleicht ein Zyklon?« Nie zuvor hatte er einen erlebt, kannte so etwas nur aus Erzählungen seiner Großmutter und seiner Mutter. Seit eineinhalb Tagen regnete es. Ein paar Brote waren ihm noch verblieben. Er zählte sie. Sieben. Er ging hinaus auf den Flur. Überall rann Wasser herab. Das Gebäude war fast völlig demoliert. In dem Stück, das noch stand, hatte Sandra gewohnt, außerdem der Alte, der Magda und ihnen beiden das Leben gerettet hatte. Jetzt war niemand mehr da. Sandra war im Gefängnis, der Alte im Krankenhaus oder tot, Magda verschollen im Regen. Rey konnte seinen Drang nicht länger zurückhalten: Er kauerte sich nieder und schiss ruhig und ausgiebig. Mit dem Tütenpapier wischte er sich ab. Fast war er fertig, als Magda, bis auf die Haut durchnässt, die Treppe hochkam. Das Wasser triefte an ihr
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