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Der König von Havanna

Der König von Havanna

Titel: Der König von Havanna
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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mit den Fingern. Und Rey ließ es zu und schrie und stöhnte, ermattet vor Lust. Etwas in seiner Machismo-Großtuerei hatte das bislang nicht zugelassen. Es war die völlige Hingabe.
    Wie immer ernährten sie sich von Rum, Marihuana, Erdnüssen, Zigaretten. Als es Nacht wurde, schliefen sie. Am nächsten Morgen machten sie weiter. Ein paar Mal ging Rey los, um Rum, Brot mit Fleischkroketten, Zigaretten zu besorgen. Für mehr war kein Geld da. Magda kochte ein wenig Reis. Sie aßen einen Teller voll, dazu Avocados. Wieder wurde es Nacht. Sie schliefen ein paar Stunden, und wieder stand Rey der Knüppel stramm. Und sie machten weiter und immer weiter. Am dritten Morgen reagierte Magdalena: »Rey, ich habe noch zwanzig Pesos und muss Erdnüsse kaufen. Ich kann das Geld nicht für Rum ausgeben.«
    »In Ordnung.«
    »Ich gehe zum Platz und komme gleich wieder.«
    Über achtundvierzig Stunden lang hatten sie sich von der Welt abgeschottet, hatten ihre hemmungslose Liebe und ihren Wahnsinnssex wiederbelebt. Sie fühlten sich sehr wohl. Magda war erneut stolz darauf, einen solchen Mann zu haben.
    »Du bist wahrhaftig der König von Havanna, Schätzchen. Du bist ein Verrückter.«
    »Ich mache schon mal Tütchen fertig.«
    »In knapp einer Stunde bin ich wieder zurück. Hundert Tütchen reichen.«
    Rey fertigte die hundert Papiertütchen an. Die Stunden vergingen. Er warf sich zum Schlafen auf den Strohsack. Die Nacht brach herein. Rasend vor Hunger erwachte er inmitten der Dunkelheit. Magda war noch immer fort. Er hatte weder Geld noch Lust, auf die Straße zu gehen. Ein wenig Rum und ein paar Zigaretten waren noch übrig geblieben. Nach einigen Schlucken fiel er k.o. um. Er schlief bis zum nächsten Tag. Mit einem schrecklichen Kater und einer Gastritis wachte er auf. Unter großen Anstrengungen kam er irgendwie auf die Straße. Trotz der sauberen Kleidung hatte er wieder das Äußere eines Penners angenommen. Mit tief dunklen Rändern unter den Augen, unreiner Haut und erschöpfter, dreckiger Säufermiene. Er ging die Factoría hinunter, kam zur Monte. Sein Körper und Geist waren eine Mischung aus Hunger und Erschöpfung, so dass er nicht klar denken konnte. Er ging einfach weiter, Schritt für Schritt, kam zur Galiano und blieb an der Kreuzung stehen. Ungeheuer viele Leute waren am Verkaufen und Kaufen. Ohne weiter nachzudenken, streckte er die Hand aus und murmelte den Vorübergehenden etwas zu. Niemand beachtete ihn. »Ich habe Hunger, bitte … ich habe Hunger, bitte … geben Sie … ich habe Hunger, bitte geben Sie mir etwas für … ich habe Hunger, bitte geben sie mir …« Niemand gab ihm einen Centavo. Er musste etwas stehlen, jemandem mit Gewalt eine Tasche entreißen. Er fuhr fort mit seiner Bettellitanei und hielt gleichzeitig die Augen offen. Sobald man nicht aufpasste … es standen hier mehrere Polizisten herum. Das laute Klirren von berstendem Glas. Ein Schwarzer in kurzen Hosen, ohne Hemd, mit einem einzigen Gummischlappen, der andere Fuß ohne Schuh, warf einen Stein in das Schaufenster eines Ledergeschäfts. Er wollte sich eine Ledertasche schnappen. Keine Schuhe, nur eine Tasche. Er zerschnitt sich die Füße, die Arme, die Hände. Ein paar Touristen filmten ihn auf Video und schossen Fotos. Zwei Polizisten kamen angelaufen. Wutentbrannt natürlich. Sie zogen ihre schwarzen Gummiknüppel aus dem Futteral, sahen die Videokameras, steckten die Gummiknüppel wieder ein. Der Typ hatte die Tasche schon in der Hand. Er war blutüberströmt, flüchtete aber nicht. Hunderte von Leuten waren stehen geblieben, um zuzuschauen. Friedlich nahmen die Polizisten ihm die Tasche ab und packten ihn. Der Typ riss sich frei und fing an, sie zu beschimpfen, denn er wollte seine Ledertasche wiederhaben. Bestimmt war er verrückt. Die Polizisten packten ihn wieder und bemühten sich, ihn mit allergrößter Vorsicht, als handele es sich um ein Sahnebaiser, wegzuführen. Ein paar lebenslustige, gut gelaunte schwarze Frauen, den Arsch in eng anliegendes Lycra verpackt, nutzten das Durcheinander, um aus dem Schaufenster ein paar Schuhe zu klauen. Sie mussten feststellen, dass von jedem Paar nur ein Schuh auslag. Nur der linke wurde ausgestellt. Der rechte wurde gut verwahrt. Daraufhin warfen sie die Schuhe wieder ins Fenster zurück. Zwei Angestellte kamen angerannt und packten Schuhe, Taschen und Sandalen im Laden zusammen. Die Kameras fingen alles ein. Zwei weitere wutschnaubende Polizisten kamen herbeigelaufen. Die beiden in
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