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Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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Abschied, gerade noch rechtzeitig, damit ich nicht sähe, wie ihm die Tränen über die Wangen rollten.
    Sowie er abgefahren war, schickte ich Nicolas zur Ferme und ließ ausrichten, wir wünschten den Pächter und seine Frau zu sehen. Diese nun kann ich am besten beschreiben, indemich sie mit unserer guten Amme Honorée vergleiche. Alles an ihr war Fülle, Bauch, Gesäß, Busen. Und diese fleischliche Fülle wurde gekrönt durch einen gütigen Blick und eine sanfte Stimme. Im Gegensatz dazu war ihr Mann klein und kräftig. Nach einer Verbeugung nannte er mir seinen Namen und den seiner Frau. Er hieß Erwane und sie Gwenola. Natürlich hatten sie auch einen Familiennamen, und der war Nedelec.
    »Dann seid ihr ja beide Bretonen«, sagte ich lächelnd, »und also sehr redliche Leute.«
    »Wir tun unser Bestes, Monseigneur«, sagte Nedelec errötend, überglücklich, wie mir schien, daß ich die Bretagne und die Bretonen lobte.
    Ich fragte ihn, welchen Lohn Monsieur de Brissac ihm gezahlt habe.
    »Ja, keinen«, sagte Nedelec überrascht. »Wir hatten Wohnung, Wasser, Holz zum Heizen, dazu einen Anteil am Gemüse und an den Eiern.«
    »Nedelec«, sagte ich, »du wärest wohl nicht erfreut, in die Bretagne heimzukehren?«
    »So ist es, Monseigneur, ganz und gar nicht. Meine Schwester, bei der ich wohnen würde, schwatzt wie ein Wasserfall, mein Schwager ist ein roher Geselle, der Frau und Kinder schlägt und die Bauern mißhandelt. Dazu ist er ein schlimmer Geizhals, und wenn ich für ihn arbeiten müßte, was ich partout nicht will, gäbe es viel Arbeit und wenig Lohn.«
    »Wenn es so ist, warum bleibst du dann nicht hier und leitest wie vorher die Ferme?«
    »Ach, Monseigneur, Monseigneur!« rief Nedelec, »ich hätte Euch nicht darum zu bitten gewagt, aber es wäre für mich und meine Frau eine große Freude und Erleichterung, hierzubleiben.«
    »Alsdann!« sagte ich und klopfte ihm auf die Schulter, »ab gemacht , ihr bleibt. Eine Frage noch, Nedelec«, fuhr ich fort, »wenn ihr keinen Lohn bekamt, wie machtet ihr es mit Kleidern und Schuhen?«
    »Ach, da haben wir dann eben keine Eier essen können, wir haben sie verkauft, das waren immer ungewollte Fasten.«
    »Da kamen die Kleider euren Magen teuer zu stehen.«
    »Ach, wir hatten ja noch das Gemüse.«
    »Hattet ihr am Sonntag frei?«
    »Nur morgens, um die Messe zu hören, die wurde gesungen und war sehr lang. Monsieur de Brissac, Euer Vorgänger, war ein frommer Mann.«
    »Fromm war er?«
    »Ach, Monseigneur, im Beten machte ihm keiner was vor. Trotzdem war ich sonntags gern in der Messe.«
    »Warum?«
    »Weil, wenn ich so auf den Fliesen kniete, konnte ich das Gesicht in die Hände legen zum Beten, aber statt zu beten, schlief ich wie ein Murmeltier. Nun hab ich aber den Herrgott nicht verärgern wollen und hab jeden Abend auf meinem Strohsack gebetet, der Herr möge mir verzeihen, daß ich in seiner Kirche geschlafen habe.«
    »Glaubst, daß Er dir verziehen hat?«
    »Ei ja, da bin ich ganz gewiß. Er verzeiht alles, wie ein Vater seinen Kindlein.«
***
     
    Am Abend, hinter den geschlossenen Bettgardinen, erzählte ich meiner Catherine das Gespräch mit Nedelec. Auf dem Nachttisch brannten wie gewohnt die wohlriechenden Lichter. Als ich meine Erzählung endigte, lächelte Catherine.
    »Wenn ich Euch recht verstehe«, sagte sie, »wollt Ihr Nedelec jetzt einen Lohn zahlen?«
    »Ja, das habe ich vor. Wäret Ihr damit nicht einverstanden?«
    »Natürlich bin ich es.«
    »Und warum lächelt Ihr? Wollt Ihr mich verspotten?«
    »Ganz im Gegenteil, ich bin gerührt über Euch.«
    »Und warum?«
    »So viele Männer sind geizig und habsüchtig. Ich bin so froh, daß Ihr weder das eine noch das andere seid.«
    »Und ich, meine Liebe, bin dankbar, daß Ihr seid, wie Ihr seid. Wenn der Herrgott Euch an Leib und Seele ummodeln wollte, würde ich Ihn anflehen, es nicht zu tun.«
    Ich wußte nicht, ob Catherine ganz im stillen, ohne einen Ton davon zu sagen, Paris und seine wunderbaren Läden nicht doch vermißte, denn wo hätte sie in Viroflay die Kleider, den Schmuck, die Parfums, die ihr gefielen, finden sollen? Da ich nun beobachtete, wie sie hierüber schwieg, gab ich ihr das Versprechen, daß wir einmal in der Woche, jedenfalls wenn derKönig mir die Muße ließe, in unser Pariser Hôtel zum Übernachten und Frühstücken fahren würden. Dies böte uns obendrein eine gute Gelegenheit, nach dem Rechten zu sehen und uns zu vergewissern, daß unsere Bedienten und
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