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Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)

Titel: Der König ist tot: Roman (Fortune de France) (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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vertraut. Er liebte das schöne Geschlecht. Er wußte es durch Liebkosungen und zärtliche Worte einzustimmen, und die unvermeidliche Folge solcher Annäherung hatte mit der rohen Vergewaltigung eines Landkindes durch einen Wegelagerer nichts zu tun.
    Ich war Zeuge dieser Vermählung, nicht was man gemeinhin unter einem Trauzeugen versteht, sondern ich war auf Grund meiner Spanischkenntnisse verpflichtet, zwischen König und Königin zu dolmetschen, folglich hatte ich sie auf Schritt und Tritt zu begleiten (außer natürlich hinter die Bettgardinen) und ihre Verständigung zu erleichtern. Und gut entsinne ich mich eines kleinen Spaziergangs, den sie am Tag vor ihrer Abreise nach Paris am Ufer der Bidassoa machten.
    Ich ging in geringem Abstand hinter ihnen und sah und hörte sie gut. Entgegen den boshaften Gerüchten der Spanier verdankte Ludwig seine stattliche Erscheinung nicht der Perücke und den hohen Absätzen, sondern der Natur. Er maß über sechs Fuß, und wenn er von seinen Höflingen umgeben war, überragte er alle um einen Kopf. Der Leser weiß es schon, sein Antlitz war schön, der Körperbau kräftig und die Beine lang.
    Während dieses ganzen Spaziergangs plauderten die Gatten miteinander, dann sah ich sie im Profil, und was die Worte nicht sagten, das verrieten ihre Gesichter. Und in mir bildete sich eine Gewißheit, die bald der ganze Hof teilte. Dieser unbekannte, ihr plötzlich vom Himmel gefallene Gemahl war für Marie-Thérèse die große Liebe. Ihre langen Blicke, ihr Erschauern, ihre bebende Stimme sprachen es besser aus als ihre Worte. Ich war sehr beruhigt und, schöne Leserin, ich will Ihnen sagen, warum. Mich dünkte, daß eine solche Anbetung Ludwig nicht gleichgültig lassen könnte und daß er darüber die Unvollkommenheiten seiner Gemahlin weitgehend würde vergessen oder zumindest nicht als vorrangig ansehen können.
    Die Königinmutter von Frankreich liebte sie auf den ersten Blick und beschützte sie, indem sie, so gut sie konnte, die Spötteleien unserer höfischen Lästermäuler und Zierpuppen im Zaum hielt, unter denen es sehr schnell als ausgemacht galt, daß Marie-Thérèse nicht eben die Hellste war. Noch war das Wort»dumm« nicht ausgesprochen, doch schwang es, nicht grundlos übrigens, im Kopfschütteln, im leisen Mundverziehen, in den geringschätzigen kleinen Mienen unserer Damen mit. Was anfangs am meisten schockierte, war, daß sie einfach kein Französisch verstand und daß es lange Zeit ausgeschlossen war, mit ihr anders als Kastilisch zu sprechen. Wie viele Lehrer nützten sich nicht Zunge und Zähne ab, ihr vom Kastilischen zum Französischen zu verhelfen, ein doch nicht übermäßig schwerer Sprung, es sind ja verwandte Sprachen. Der Kämpfe überdrüssig, berief der König mich, und voller Bangen betrat ich die Walstatt. Ich hatte nicht ohne Grund gezittert. Mir wurde sogleich ein guter, nur allzu guter Empfang, denn schon bei unserem ersten Treffen sagte Marie-Thérèse, sie bete mich an, warf sich mir an den Hals und küßte mich gierig auf den Mund.
    Ich wußte nicht aus noch ein, war ich doch in eine Lage geraten war, die mir die Anklage des höchsten Majestätsverbrechens eintragen konnte, und eilte, mich dem Beichtvater des Königs zu eröffnen, der mich trotz seiner hohen Stellung anzuhören geruhte, nachdem ich ihm gesagt, was geschehen war. Er riet mir, es der Königinmutter zu erzählen, und diese nun sagte: »Herzog, beunruhigt Euch nicht. Die Königin macht es mit allen Männern so, die ihr nahe kommen. Aber wie soll man sie schelten? Physisch ist sie zweiundzwanzig Jahre alt, ist sie eine Frau, aber geistig ist sie ein kleines Mädchen. Wenn zum Beispiel jemand am Hof etwas erzählt, was sie lustig findet, fängt sie ohne die mindeste Rücksicht auf das Protokoll schallend an zu lachen und klatscht in die Hände.«
    Das Verhältnis zu Mazarin war schon bald gespannt, denn so wenig wie sie das Protokoll kannte, wußte sie auch von Diplomatie. Als ihr der König auf den Rat seines Ministers zehntausend Ecus Zuwendungen bewilligte, fand sie die Summe ungenügend. Und warum, beim Himmel? Weil sie erfahren hatte, daß die Königinmutter zwölftausend Ecus bekam. Die Sache hätte sich noch einrenken lassen, wäre sie persönlich vorstellig geworden, Mazarin um eine Erhöhung zu bitten. Aber nein, unbedacht schickte sie ihre Ehrendame. Die Antwort lautete kurz und knapp, die Königin erhielte Geld, wenn sie darum einzukommen beliebte, deutlicher gesagt, wenn
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