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Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Rebecca Gablé
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aus Faszination und Schrecken. Wie grausam sie sein konnte. Wie erbarmungslos. Und wie kühl sie kalkulierte.
    Sie erwiderte seinen Blick und nickte ihm knapp zu. »Sei so gut und begleite mich, Jonah.«
    Bereitwillig trat er aus dem Schatten. Er hielt ihr die Tür auf, und ohne einen weiteren Blick auf Rupert und Elizabeth, ohne ihre Erlaubnis abzuwarten, folgte er der streitbaren alten Dame hinaus, nahm behutsam ihren Arm und geleitete sie zu ihrem Gemach, das gleich neben der Kammer des Hausherrn am Ende des Ganges über der Küche lag.
    »Und?«, fragte sie leise, als sie vor ihm eintrat. »Was hat Aimhurst gesagt?«
    Jonah schloss die Tür und sog den schwachen Duft nachZimt und Lavendel ein, der dieser Kammer zu Eigen war. Er liebte den Geruch.
    »Er hat kein großes Vertrauen zu dem jungen König, glaube ich«, antwortete Jonah beinah flüsternd, obwohl sie jetzt unter sich waren. »Aber er ist sicher, dass es bald einen neuen Krieg mit Schottland gibt. Und er hält nichts von Ruperts flämischer Wolle für die Ausrüstung seiner Bogenschützen. Zu teuer, sagt er. An Eurem Tuch hingegen war er sehr interessiert. Wenn Ihr bis März zehn Ballen liefern könnt, sagt er.«
    Die alte Frau stieß ein zufriedenes, gackerndes Lachen aus. »Nichts leichter als das. Gut gemacht, Jonah. Gut gemacht wie üblich. Und es soll dein Schaden nicht sein.«
    Sie setzte sich in einen bequemen Polstersessel, verschränkte die Hände auf dem Knauf ihres Stocks und lächelte versonnen vor sich hin.
    Jonah ließ sich zu ihren Füßen nieder und zog mit spitzen Fingern das glühend heiße Kohlebecken näher.
    Die knotige alte Hand fuhr ihm über den schulterlangen, schwarzen Schopf. »Dieser junge neue König könnte sehr vieles verändern. Ich sage dir, es brechen neue Zeiten an.«
    »Aber der Baron of Aimhurst glaubt nicht an König Edward«, wiederholte Jonah zweifelnd.
    Die alte Dame schnaubte. »Aimhurst ist ein aufgeblasener Narr wie Rupert und genau wie er zu engstirnig, um zu erkennen, dass ihm eine neue Generation auf den Fersen ist. Nein, nein, Jonah, der junge Edward hat sich mit einem gewagten Schurkenstück sein Geburtsrecht erkämpft. Ich kann kaum glauben, dass er nun plötzlich zahm wird. Er ist die Zukunft, und das wird eine unruhige Zukunft sein. Wer das früh genug erkennt, kann davon profitieren.«
    Jonah lächelte schwach. »Oh, ich bin überzeugt, das werdet Ihr. Ihr habt einen unfehlbaren Blick für Zukunftsaussichten.«
    So hatte sie beispielsweise schon im Juni prophezeit, dass der Stern der Königinmutter und ihres ehrgeizigen Liebhabers bald sinken werde. Als die Ereignisse in Nottingham sich vor wenigen Wochen dann plötzlich überstürzt hatten, Mortimer verhaftetund die Königinmutter ohne alle Rücksichten auf ihre Wünsche auf das abgelegene königliche Gut von Berkhamstead gebracht wurde, hatte Jonah sich gefragt, ob die alte Cecilia vielleicht eine Kristallkugel besäße, die sie gelegentlich in aller Heimlichkeit befragte.
    »Das liegt an meinem biblischen Alter. Nein, nein, mein Junge. Die Zukunft spielt für mich keine große Rolle mehr. Das Gleiche gilt umgekehrt. Ich dachte mehr an dich. Wie alt bist du jetzt, Jonah?«
    »Achtzehn, Madam Großmutter.«
    Sie zog seinen Kopf an ihr Knie, und der sonst so widerborstige junge Kaufmannslehrling schloss die Augen und überließ sich der Liebkosung dieser uralten Hand.
    »So alt wie der König«, murmelte Cecilia.
     
    Jonah erwachte vor Hunger, noch ehe der Hahn in ihrem und die in den benachbarten Höfen ihr morgendliches Konzert anstimmten.
    Er stand lautlos auf, faltete seine Decke zusammen und beförderte den mit Stroh gefüllten Wollsack, der ihm als Bettstatt diente, mit einem geübten Tritt unter den Ladentisch. Dann nahm er den Eimer, um Wasser für die Morgentoilette zu holen, und ging in den Hof hinaus. Es war noch dunkel. Er fröstelte in der Morgenkälte, doch es würde noch ein paar Wochen dauern, ehe das Brunnenwasser morgens überfroren war. Jonah warf einen nachlässigen Blick zur Küche hinüber und hinauf zu den Fenstern der Halle. Alles war still und dunkel. Er öffnete den Verschlag des Hühnerhauses einen Spaltbreit, steckte den Arm hindurch und tastete im Stroh, bis er ein warmes Ei fand. Sorgsam verschloss er das Türchen wieder, ehe er mit dem Zeigefinger vorsichtig die Spitze des Eis eindrückte und es begierig ausschlürfte. Schlagartig verging das bohrende Hungergefühl. Er zertrat die Schale unter dem Absatz und verscharrte
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