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Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der König der purpurnen Stadt: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Rebecca Gablé
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von dem grünen Tuch auf. »Ich war bei Aimhurst.«
    Mit wenigen Sätzen fasste er die Begebenheiten seines Botengangs zusammen, während sie den Laden für den neuen Tag vorbereiteten. Von dem kleinen Nebengeschäft, das er auf Rechnung seiner Großmutter mit dem Baron of Aimhurst ausgehandelt hatte, erwähnte Jonah nichts. Er mochte Crispin gern, und vermutlich hätte er ihm auch trauen können, doch der Junge war so aufrichtig, so vollkommen arglos, dass ein solches Geheimnis ihn sicher belastet hätte.
    Während sie zum Frühstück hinaufgingen, sprach der jüngere Lehrling lebhaft und ohne Unterlass über das Thema, welches London, eigentlich das ganze Land, im Augenblick vornehmlich interessierte: die unerwartete Machtübernahme des jungen König Edward, was für einen Herrscher er wohl abgeben würde, ob er eher seinem schwachen Vater oder seinem übermächtigen Großvater glich, ob er den Frieden mit Schottland aufkündigen würde, den der verhasste Mortimer in König Edwards Namen geschlossen und den jeder Engländer als schändlich empfunden hatte, wie Edwards junge flämische Königin Philippa wohl sein mochte, die im Juni einen Thronfolger zur Welt gebracht hatte, und so weiter und so fort.
    Jonah hörte ihm mit Interesse zu. Crispin war immer außerordentlich gut informiert über alles, was in London und Westminster vorging. Er bezog gelegentlich Prügel, weil er nach Rupert Hillocks Auffassung den halben Tag mit eitlem Geschwätz vergeudete und der Arbeit aus dem Wege ging. Doch Jonah wusste, dass das nicht stimmte. Die Kunden im Laden plauderten eben mit dem freundlichen Lehrjungen, der gern eine kleineSkandalgeschichte hörte oder zum Besten gab. Jonah war überzeugt, dass manche gar ihren Laden statt die der Konkurrenz aufsuchten, um diesem harmlosen Laster zu frönen. Crispin war gut fürs Geschäft. Und er gehörte zu den wenigen Menschen, die gleichzeitig reden und arbeiten konnten.
    Als sie sich der Halle näherten, war der Junge mitten in einer Geschichte über den blinden Earl of Lancaster. Jonah legte ihm warnend eine Hand auf den Arm, Crispin brach ab, und sie betraten den Raum schweigend. Rupert saß schon an seinem Platz an der Mitte der Tafel, flankiert von seiner Frau und seiner Großmutter. Elizabeth gegenüber saß Annot, eine Fleischerstochter aus Canterbury, die seit dem Sommer Elizabeths Lehrmädchen war und der Meisterin bei der Ausübung des bescheidenen Seidenhandels half, den diese nach ihrer letzten Fehlgeburt im vergangenen Winter aufgenommen hatte. Die Mägde trugen Porridge, Brot, Honig und verdünntes Ale auf, ehe sie sich ans untere Ende des Tisches setzten. Auch Crispin nahm seinen Platz ein. Jonah trat an den hüfthohen, schweren Eichenschrank, der fast die gesamte linke Wand der Halle einnahm und das schönste Möbelstück des Raumes war. Zinnteller, Kerzenleuchter und Becher wurden ebenso darin aufbewahrt wie die zwei kostbaren Bücher, die Master Hillock besaß. Auf dem Schrank stand eine Schüssel mit Wasser, reines Leinen lag daneben. Jonah hängte sich das Tuch über den Arm und trug die Schüssel zu seinem Meister, der sich die Hände wusch, ohne seinen jungen Verwandten anzusehen. Jonah hatte den Verdacht, dass Rupert sich wegen seines Verhaltens vom Vorabend schämte. Master Hillock war kein grausamer Mann und nicht bösartiger als irgendeiner seiner Nachbarn. Er war gefährlich, wenn er in Wut geriet, vor allem, wenn er zu viel Ale getrunken hatte, was, so schien es Jonah, in den vergangenen Monaten immer häufiger vorkam. Aber Hillock galt als ehrlicher Kaufmann und war bei seinen Gildebrüdern beliebt. Und vielleicht hätte er ein ganz anderer Mann werden können, wenn er nicht ausgerechnet Elizabeth geheiratet hätte.
    Als Jonah die Waschschüssel nach seiner Großmutter auchder Meisterin hinhielt, warf diese ihm unter halb geschlossenen Lidern hervor einen kurzen Blick zu. Dann tauchte sie die Hände mit genügend Schwung ein, dass das Wasser aufspritzte und ein kleiner Schwall auf Jonahs Brust landete.
    »Pass doch auf, Tölpel«, fuhr sie ihn an.
    Er sagte nichts, wartete, bis sie sich die Hände getrocknet hatte, und trat einen Schritt zurück, während Rupert das Tischgebet sprach. Jonah sah an sich hinab. Das Wasser in der Schüssel enthielt Lavendelsud und würde somit Flecken auf seinem Gewand hinterlassen. Er konnte wohl getrost davon ausgehen, dass es verdorben war. Einen Augenblick erwog er, Elizabeth den Inhalt der Schüssel über das fromm
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