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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten
Autoren: Simon Tolkien
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zu zweit sein.«
    »Ja, das hast du richtig gemacht. Kann es ein, dass sie draußen ist?«
    »Vielleicht, als du die Tür geöffnet hast. Aber ich glaube eher, sie hat sich irgendwo hier drinnen versteckt. Wenn wir sie nicht finden, nehme ich den Wagen und suche sie. Weit kann sie ja nicht sein, ohne Geld.«
    »In Ordnung. Du machst oben weiter. Ich suche hier unten, sobald ich Vanessa Bescheid gesagt habe. Tut mir leid, Franz. Es war gut, dass du mich geholt hast.«
     
    Katya drückte sich an die Rückwand eines kleinen Einbauschranks unter der Treppe, die vom Salon aus gesehen auf der anderen Seite der Eingangshalle lag. Die Kleiderstange, die sich durch den Schrank zog, war nur zur Hälfte behängt, und Katya hatte Jacken und Mäntel nach vorne geschoben, um sich so im hinteren Teil ein Versteck zu schaffen. Einer der Mäntel reichte fast bis zum Boden, sodass sie vollkommen unsichtbar gewesen war, als Franz kurz vorher einen Blick hineingeworfen hatte. Jetzt hielt sie sich mit beiden Händen an der Stange fest, während sie angestrengt versuchte, durch die halbgeöffnete Tür zu hören, was Franz und ihr Onkel machten. Sie fühlte sich elend. Ihr rechter Arm tat immer noch weh, wo Janas Nadel in die Vene eingedrungen war. Dieses Miststück – sie hatte wirklich bekommen, was sie verdiente. Katya wünschte sich, sie hätte die Gelegenheit genutzt und Jana noch öfter getreten. Aber das Beruhigungsmittel war zumindest teilweise in ihren Organismus gelangt. Seit sie die Treppe hinuntergelaufen war, musste sie gegen die Müdigkeit ankämpfen, deswegen war sie fast schon froh über den pulsierenden Schmerz in ihrem Arm, denn so blieb sie wenigstens wach. Wie lange das noch anhielt, wusste sie allerdings nicht. Mit der linken Hand ließ sie die Stange los und umklammerte fest ihr rechtes Handgelenk. Schmerz war hilfreich, und sie wünschte, sie hätte Fingernägel, die sie sich in die Haut bohren konnte. Doch die waren schon längst völlig abgekaut.
    Schweine! Verdammte Schweine! Mit welchem Recht behandelte dieses Gesindel sie so? Wenn doch nur Ethan da wäre, um ihr zu helfen. Mehr als zwei Jahre waren jetzt vergangen, und sie vermisste ihn wie am ersten Tag. Die Zeit heilt alle Wunden? Was für ein Unsinn, dachte sie verbittert. Sie erinnerte sich daran, wie sie zusammen hier in dieser Eingangshalle gestanden hatten: Sie hatte die Arme um ihn geschlungen, den Kopf an seine Brust gelehnt und für einen Moment gedacht, ihr Leben sei perfekt. Nichts musste hinzugefügt, nichts weggenommen werden. Alles war vollund ganz in Ordnung. Aber es war eine Illusion gewesen, eine Schimäre aus kostbarem Kristallglas, welches schon vor langer Zeit in tausend Teile zersprungen war. Ethan war mit einem Messer im Rücken gestorben, und sie war auf die schiefe Bahn geraten und zur Gefangenen in ihrem eigenen Zimmer geworden, ausgehungert und verängstigt, ohne einen einzigen Freund.
    Jetzt allerdings hatte sie eine Chance, eine kleine zwar, aber doch eine Chance. Wenn sie lange genug wach bliebe und ihren Verfolgern auswich, könnte sie dieser Frau berichten, was hier vor sich ging. Und vielleicht würde dann bald jemand kommen und ihr helfen. Dass die Frau mit ihrem Onkel liiert war, machte nichts. Nach dem, was sie in den vergangenen Minuten mitbekommen hatte, klang diese Vanessa ganz normal, wenn nicht sogar freundlich. Und wollten nicht Franz und ihr Onkel vermeiden, dass Vanessa von ihrer Anwesenheit erfuhr? Zumindest das war klar. Warum sonst hätte Jana ihr die Spritze gegeben?
    Erneut musste Katya gegen einen Müdigkeitsanfall ankämpfen. Sie klammerte sich verzweifelt an die Kleiderstange, doch ihre Arme hatten keine Kraft mehr, und die Beine gaben unter ihr nach. Doch gerade, als sie dachte, sie würde jetzt hinfallen, hörte sie über sich Franz die Treppe hinaufgehen. Sie wusste, dass er es war, denn sie erkannte die ungleichen Schritte. So wie er zog niemand beim Gehen das linke Bein nach. Eine Kriegsverletzung, genau wie die Narbe unter seinem Ohr. Wer immer ihm diese Wunden zugefügt haben mochte – Katya wünschte sich sehnlich, er hätte genauer gezielt und damit dem Dasein von Franz Claes ein Ende bereitet.
    Franz war jetzt weg, aber wo steckte ihr Onkel? Sie langte vorsichtig an den Mänteln vorbei, machte die Türe ein bisschen weiter auf und linste hinaus in die Halle. Ihr Onkel stand mit dem Rücken zu ihr und strich sich über den Bart, als sei er ganz in Gedanken versunken. Konnte das wahr sein? Er hatte
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