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Der Köder

Der Köder

Titel: Der Köder
Autoren: P.J. Tracy
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eine Spur von
    Panik in der Stimme. Inzwischen näherte sich die Person dem
    vorderen Weg, hatte den Kopf gedreht und beobachtete sie.
    Magozzis Verhalten änderte sich. Er drängte ihr sein Weinglas auf und sprach laut genug, um nicht nur von ihr gehört zu werden.
    «Mach's diesmal randvoll, okay?»
    Jeder Muskel in Magozzis Körper war so angespannt, dass es
    wehtat. Ein ganz klein wenig lockerer wurde er erst, als er hörte, wie die Fliegentür hinter Grace zuschlug. In Sicherheit, dachte er. Bitte, Gott, lass sie in Sicherheit sein, lauf, lauf, lauf zur Hintertür hinaus, lauf zu einem Nachbarn, tu ja nichts Mutiges, Grace, mach bitte keine Dummheiten…
    Die Gestalt stand nun auf dem Weg, nahm vertrautere Züge an, je
    näher sie kam, und Magozzi saß auf der Treppe mit einem
    gekünstelten Begrüßungslächeln auf den Lippen und versuchte, sich ganz natürlich zu geben. Die Vernunft redete ihm ein, es sei nichts zu befürchten, während sein Instinkt ihm sagte, dass er nur noch ein paar Sekunden zu leben hatte. Und der Instinkt hatte bereits einen Plan gemacht. Was immer geschehen sollte, würde hier draußen
    geschehen. Grace würde nichts passieren. Dieser Gedanke verlieh
    seinem gekünstelten Lächeln einen Hauch von Glaubwürdigkeit. Die
    Bestimmung seines Lebens lief auf den wichtigsten Dienst hinaus,
    den er dieser Welt erweisen konnte – die Rettung von Grace
    MacBride.
    Drinnen stand Grace an die Wand neben der Tür gepresst, und
    ihre Hand griff automatisch nach der Sig, die nicht da war. Jetzt setzte echte Panik ein. Sie konnte nicht atmen, sie konnte kaum mehr sehen, und die Beine drohten, unter ihr einzuknicken. Ihre Gedanken rasten sechs Monate zurück – da hatte sie im Loft des
    Monkeewrench-Büros das letzte Mal echte Todesangst verspürt und
    war wie gelähmt und hilflos gewesen –, und sie suchte hektisch nach dem einzigen Heilmittel, das sie damals gefunden hatte, erinnerte sich an die Hoffnung auf Rettung und die Aura von Seelenruhe, von der sie sich erst umhüllt gefühlt hatte, als sie das Macht verleihende Gewicht der Sig in ihren Händen spürte.
    Sie hörte, wie die Schritte auf dem vorderen Weg näher kamen.
    Sie hatte keine Ahnung, wer die Person sein mochte, und auch keine klare Vorstellung von deren Absichten bis auf das, was sie in
    Magozzis Augen gesehen und in seiner Stimme gehört hatte. Mehr
    brauchte sie auch nicht.
    Ihre Gedanken rasten die Treppen hinauf in Magozzis
    Schlafzimmer – bewahrte er dort seine Waffen auf? Gestern Abend
    hatte man ihm die Dienstwaffe abgenommen, aber er musste noch
    eine weitere besitzen – alle Polizisten hatten eine zweite Waffe –, aber wo mochte er sie aufbewahren, und wie in Gottes Namen sollte sie diese Waffe rechtzeitig finden? Ihre Überlegungen blieben an
    dem Problem hängen, das von Waffen erst verursacht wurde.
    Verdammt, alles drehte sich um Waffen, die ganze Zeit, und dadurch war sie blind für jede andere Möglichkeit.
    «Hallo, Detective Magozzi.»
    Sie hörte die Stimme durch das Fliegengitter, wandte den Kopf
    ein wenig zur Seite, sodass sie die Gestalt sehen konnte, die in
    sicherer Entfernung von Magozzi stehen geblieben war und die
    Hände in den Jackentaschen behielt. Eine Tasche war ausgebeulter
    als die andere, und man erkannte deutlich die Mündung einer Waffe, die auf Magozzis Brust zielte.
    «Bitte stehen Sie auf, Detective. Und zwar langsam. Dann gehen
    Sie ins Haus.»
    Keine Waffe, keine Waffe, keine Waffe – ein paralysierendes Mantra, das sie nicht losließ, und dann hörte sie Magozzis Antwort:
    «Tut mir leid, aber daraus wird nichts» –, da ging plötzlich ihr Herz auf, und sie dachte nur noch an Magozzi. Magozzi, der auf ihrem
    Hinterhof in dem Holzsessel saß, Charlie auf dem Schoß; Magozzis
    schelmisches Lächeln, als er ihr von seinem langfristig angelegten Verführungsplan erzählte; Magozzi, der ihr vor all den Monaten das Leben gerettet hatte und immer wieder vor ihrer Tür aufgetaucht
    war, sich geweigert hatte, sie in Ruhe zu lassen, und hartnäckig
    geblieben war.
    Grace MacBride hatte nie wirklich ein Privatleben gehabt, aber
    sie wusste ganz genau, dass die einzige Chance darauf draußen auf den Verandastufen saß und bereit war, für sie zu sterben.
    Sie schnappte sich die beiden Weingläser, die sie auf dem
    Fußboden abgestellt hatte, stieß mit der Hüfte gegen die Fliegentür, sodass sie gegen die Außenwand knallte, und schwankte auf die
    Veranda. «He, Liebling, stell dir nur vor…
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