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Der Köder

Der Köder

Titel: Der Köder
Autoren: P.J. Tracy
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Stierschädel oder ein paar Fransen auf so gut wie alles, was du willst. Das Hemd da stammt aus einem Fahrradladen ein paar Meilen außerhalb der Stadt.»
    Roadrunner stand auf und stieß dabei beinahe mit dem Kopf an
    die über zwei Meter hohe Decke. Er zog sein orangefarbenes Lycra-
    Top aus.
    Harley sah ihm zu und stutzte. «Du lieber Gott, Roadrunner, ist
    das dein Brustkorb, oder hast du ein Xylophon verschluckt?»
    «Ein Mann mit solchen Titten wie du sollte sich mit Kritik
    zurückhalten.»
    «Das sind keine Titten, sondern Brustmuskeln.»
    Annie legte den Kopf in die Hände. «Wollt ihr euch bis Arizona
    so aufführen?»
    «Du hättest sie hören sollen, als sie diesen Karren ausgebaut
    haben», sagte Grace. «Die totalen Streithähne.»
    Roadrunner strahlte, als er das schmucke Kleidungsstück aus
    dem Südwesten übergezogen hatte. Mit seinen grell orangen
    Streichholzbeinen und dem limonengrünen Hemd warf er sich in
    Pose. «Wie sehe ich aus?»
    Harley warf einen Blick auf ihn. «Soll das ein Scherz sein? Du
    siehst aus wie 'ne verschissene Karotte.»
    Annie verdrehte die Augen und sah Grace an. «Wie ist diese
    Sache ausgegangen, die du für Magozzi bearbeitet hast?»
    «Echt klasse», tönte Harley, der sich höchst ungern von einem
    Gespräch in Hörweite ausgeschlossen fühlte. «Unsere Gracie konnte den Fall mit dem Gesichtserkennungs-Programm knacken, das sie
    entwickelt hat.»
    «Spitze, Mädchen. Mit dem Ding ist 'ne Trillion Dollar zu
    verdienen, wenn du es auf Idiotenniveau runtergefahren und ins Netz gestellt hast. Worum ging's eigentlich bei dem Fall?»
    Grace schloss die Augen. «Frag nicht.»
    «Die Dame möchte es aber wissen», sagte Harley. «Und ich bin
    der Herr, der es ihr sagt. Also, Annie, zuerst brachten die Nazis die Juden um, oder? Und weißt du, was hier in unserer schönen Stadt
    geschah? Drei hammerharte alte Juden haben sich einen Nazi
    vorgeknöpft. Ist das eine achtbare Aktion, oder was?»
    Roadrunner sah ihn konsterniert an. «Ich glaube, das ist das
    Furchtbarste, was ich dich je habe sagen hören.»
    «Was?»
    «Harley, sie haben einen neunzigjährigen Mann an die
    Eisenbahnschienen gebunden, damit er zerquetscht werden sollte.»
    Harley zuckte unverständig die Achseln. «Er war ein Nazi, um
    Gottes willen. Was hast du für ein Problem?»
    «Wie die meisten zivilisierten Menschen, Harley, habe ich ein
    kleines Problem mit Mord. Sie hätten ihn der Polizei übergeben,
    nach Den Haag ausliefern lassen können. Gerichte, Anwälte, ein
    fairer Prozess, schon mal davon gehört? Ist eigentlich gar kein so neuer Gedanke…»
    «Ach, Blödsinn. Der einzige gute Nazi ist ein toter Nazi. Du
    glaubst mir nicht? Jeder Deutsche, den du fragst, wird dir dasselbe sagen.»
    «Woher weißt du, wie die Deutschen denken?»
    «Weil ich, Mister Flugangst, mindestens einmal im Jahr nach
    Deutschland reise, um Wein einzukaufen und mit einigen der
    gastfreundlichsten Menschen der Welt zu feiern, die zufällig auch noch in einem der schönsten Länder der Welt leben, ganz zu
    schweigen von der außergewöhnlichen Qualität ihres Lagerbiers
    oder ihrer Autos… und diese Menschen hassen Nazis.»
    Annie lehnte sich nach vorn und flüsterte Grace zu: «Mit diesen
    Verrückten werde ich nicht bis Arizona fahren.»
    Grace seufzte und schmunzelte, wunschlos glücklich, hier zu
    sein, mit anzuhören, wie Harley und Roadrunner sich gegenseitig
    ankeiften, wie Annie sich beklagte – genauso klingt es in einer
    Familie, dachte sie. Manchmal liebte sie diese Menschen so sehr,
    dass sie Herzschmerzen bekam. Und an manchen Tagen, wenn sie
    sich in ihrer Haut wirklich wohl fühlte, ging es ihr mit Magozzi
    ebenso.
    Annie hatte wieder einmal ihre Gedanken gelesen. «Du wirst
    Magozzi vermissen, nicht wahr?»
    «Er ist ein guter Mann, Annie.»
    «Ein Prinz ist er», brüllte Harley. «Ein wahres
    Himmelsgeschenk. Ich liebe den Kerl. Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, möchte ich ihn am liebsten auf die Lippen küssen. Wie geht's dem
    alten Knacker eigentlich?»
    Grace zuckte die Achseln. «Es war eine schlimme Woche.» Sie
    sah zu Annie. «Gestern Abend hat es eine Schießerei gegeben. Alles im Zusammenhang mit dieser Nazi-Juden-Geschichte, glaube ich. Er
    hat einen Kollegen verloren und musste selbst einen jungen Mann
    erschießen.»
    «Mein Gott. Magozzi hasst es doch von ganzem Herzen,
    Menschen töten zu müssen. Der arme Mann.»
    Grace nickte. «Ich werde ihn heute Abend besuchen. Eine
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