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Der Klang Deiner Gedanken

Der Klang Deiner Gedanken

Titel: Der Klang Deiner Gedanken
Autoren: Sarah Sundin
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Song ist neu und ich habe davon keine Noten. Ich war zu sehr mit Bombern beschäftigt, um Klavier zu üben.“
    Ein enttäuschtes Stöhnen füllte den Raum und Allie konnte den Mund nicht halten. „Das Lied ist doch eigentlich ganz einfach.“
    Betty stupste Allie an. „Genau. Und Allie kann es auch spielen.“
    Walter warf ihr einen Schulterblick zu. „Etwas Aktuelleres als Beethoven? Glaube ich nicht.“
    „Oh, doch“, erwiderte Betty. „Pass bloß auf.“
    Etwas Aktuelleres als Beethoven? Und ob. Allie tauschte Plätze mit Walter und strich ihr Kleid glatt. Es war aus graugrünem Kreppstoff mit einer weißen Lilie darauf, die an der Seite nach oben ging und in Höhe ihrer rechten Schulter zur Blüte kam. Dann stürzte sie sich mit Furore in das Stück. Kein Verspieler, kein Hänger, keine schiefen Töne. Selbstzufrieden lächelte sie Walter an.
    Er runzelte die Stirn. „Machen Sie es sich bloß nicht zu gemütlich. Das ist mein Klavier.“
    „Jetzt nicht mehr.“ Ihre Kühnheit und das Gelächter der Gruppe trieben ihr die Wärme ins Gesicht.
    Betty wollte „Tangerine“ hören und Allie versprühte bereitwillig lateinamerikanisches Flair. Das war der Platz, auf dem sie sich wohlfühlte, aber Walters Stirnrunzeln ließ ihr keine Ruhe. Vielleicht war die Klavierbank auch sein Rückzugsort.
    Er räusperte sich, als das Lied beendet war. „Wie gut können Sie denn vom Blatt spielen?“
    „Sehr gut. Wieso?“
    Er bedeutete ihr, von der Bank aufzustehen, klappte sie auf und holte einen Stapel Noten heraus. „Hier sind sie. Von meinem Bruder Ray. Seine Verlobte spielt auch, deswegen schreibt er Duette. Haben Sie das auch drauf?“
    Obwohl das eine deutliche Herausforderung war, erkannte Allie die Gelegenheit zu einem friedlichen Kompromiss. „Ich kann’s ja versuchen.“
    „Gut.“ Er setzte sich neben sie und stellte handgeschriebene Noten zu „Little Brown Jug“ auf das Klavier. Am Anfang machten ihnen die hohe Geschwindigkeit und der synkopierte Rhythmus zu schaffen, aber bald darauf lief es flüssig.
    „Du hast da einen Akkord verpasst“, sagte Walter. Vermutlich war ihm das Du einfach so herausgerutscht, aber Allie freute sich darüber.
    Stirnrunzelnd schaute sie auf das Papier. „Welchen Akkord?“
    „Den hier.“ Er drückte auf ihre Hand und erzeugte lauter schiefe Töne.
    „Walter Novak!“, schalt Betty. „Lass meine Allie in Ruhe. Sie ist ein Einzelkind. Gestichel ist sie nicht gewohnt.“
    Walters Gesicht verzog sich. „Tut mir leid. Bitte noch mal von vorn.“ Er fing wieder an zu spielen.
    Oje. Allie wollte nicht, dass er sich schuldig fühlte, aber wie sollte sie ihm helfen? Beim Umblättern kam ihr eine Idee. „Du hast da eine Seite verpasst.“
    „Eine Seite?“
    „Ja.“ Sie zog die Noten weit zu sich herüber und verdeckte ihm die Sicht. „Die hier.“
    Walter prustete los. „Siehst du? Von wegen Einzelkind. Sie kann sich sehr gut wehren.“
    Allie lächelte ihn von der Seite an und freute sich über das ungewohnte Zusammengehörigkeitsgefühl. Zum Glück hatte sie Walts verstecktes Willkommensangebot angenommen.
    „Walt, spielt weiter“, sagte Helen. „Wir wollen tanzen!“
    „Ja!“ Jim hob das eine Ende des Kaffeetischs hoch, Art das andere, und George rollte den Teppich zusammen.
    „Bin ich froh, am Klavier zu sitzen“, meinte Walter. „Tanzen kann ich nicht ausstehen.“
    Allie schüttelte sich. „Ich auch nicht.“
    „Wirklich? Hm.“ Er spielte einen Akkord an und versuchte sich dann an einem anderen Fingersatz. „Übrigens, Betty hat uns für die Hochzeit zusammengesteckt – die zwei Ladenhüter. Willst du vielleicht ... na ja, nicht tanzen?“
    Allie lachte. „Ich bin noch nie im Leben gefragt worden, ob ich tanzen will, und nun hat mich jemand gefragt, ob ich nicht tanzen will.“
    Er schnitt eine Grimasse. „Ich ... tut mir leid. Das sollte nicht ...“
    „Nein, nein. Ich bin froh.“ Ihre größte Angst in dieser ganzen Woche war der Hochzeitsempfang gewesen. „Also: Wollen wir nicht tanzen?“
    Walter grinste und streckte ihr die Hand hin. „Abgemacht.“
    Allie schlug ein. Sein Händedruck war genau richtig, weder so schraubstockartig wie der von George noch so dürftig wie der von Baxter.
    Sie spielten weiter, woraufhin Walter loslegte und schneller und lebendiger wurde. Sein Elan riss Allie mit, zusammen mit dem Gelächter, dem Rascheln der Röcke und dem Schlurfen der Schuhe auf dem harten Holzfußboden.
    „Das ist ein Riesenspaß“,
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