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Der Klang Deiner Gedanken

Der Klang Deiner Gedanken

Titel: Der Klang Deiner Gedanken
Autoren: Sarah Sundin
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sagte sie erschöpft, als das Lied vorbei war. „Gibt es noch mehr Duette?“
    „Na klar. Ray ist nicht zu bremsen, wenn er verliebt ist.“ Er hob den Stapel Noten vom Boden auf. „Mal sehen, was er noch so hat. Das Schwerste habe ich zuerst genommen.“
    Die Fältchen um seine Augen brachten Allie zum Lachen. „Du wolltest mich ärgern.“
    „Ach was. Ich wollte dir ein Beinchen stellen. Wenn ich dich hätte verärgern wollen, hätte ich ‚Kugellager‘ gesagt.“
    Allies Lippen pressten sich sofort aufeinander. Wieso musste dieses Thema immer wieder aufkommen?
    „Nur die Ruhe, Miss Miller . Das Rätsel war nun wirklich nicht schwer zu lösen. Dein Daddy ist reich, aber du bist nicht besonders stolz auf euern Wohlstand, oder? Er ist dir peinlich.“
    „Um ehrlich zu sein, ja.“ Wie oft hatte sie vergeblich versucht, genau das Betty zu erklären? Aber obwohl Betty ihre Freundin war, hatte sie es nicht verstehen können.
    „Die Leute halten dich für eine kleine Prinzessin.“ Walter blätterte durch den Notenstapel auf seinem Schoß. „Umso mehr, weil du auch noch so still bist. Dein ganzes Leben lang hieß es immer: ‚Das ist Allie Miller. Du weißt schon, von Miller’s Kugellager . Sie glaubt, sie ist was Besseres.“
    „Ja“, sagte Allie und sah diesen Mann von der Seite an, den sie kaum kannte, von dem sie sich aber verstanden fühlte. Ja, er verstand sie tatsächlich.
    „Ich habe dasselbe Problem.“ Seine Nase kräuselte sich. „Nicht, weil ich so reich bin, sondern weil ich ein Pastorensohn bin. Die Leute glauben, ich hätte so eine Art Sonderleitung zu Gott, wäre sein Agent auf Erden und hätte einen Freifahrtschein in den Himmel.“
    „Und sie interpretieren dein schüchternes Auftreten als Selbstgerechtigkeit.“
    „Genau.“ Er sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Die Jungs vom 306. Bombergeschwader nennen mich Preach, weil ich weder trinke noch rauche, fluche, um Geld spiele oder Schürzen jage. Ich glaube, sie haben Angst vor mir.“
    Allie lachte. Wie konnte man sich vor einem Mann mit so einem freundlichen Gesicht fürchten?
    „Hey, Novak“, rief Jim. „Mir läuft die Zeit davon und die Front wartet. Jetzt such endlich was aus, damit ich mit meiner Frau tanzen kann.“
    Walter entschied sich für „Moonlight Serenade“. Allie kannte das Stück so gut, dass sie sich nebenher unterhalten konnten.
    „Danke, dass du die Klavierbank mit mir geteilt hast“, sagte sie.
    Walter knurrte. „Wer hat denn hier mit wem geteilt?“
    Allie legte den Kopf schief. Wie weit konnte sie das Necken noch treiben? „Es war nicht nett von mir, einfach deinen Rückzugsort zu besetzen. Wem gehst du aus dem Weg? Dem Tanzen oder dem sozialen Umgang?“
    Er lachte. „Beidem. Aber eher dem Tanzen. Zwei linke Füße, du weißt schon. Und du?“
    „Oh nein, ich tanze sogar gut. Ich habe nur schlechte Erfahrungen gemacht.“
    „Erfahrungen?“
    Sie hatte zu viel gesagt. Unwillkürlich zuckte sie zusammen und konzentrierte sich auf den Fingersatz. Aber irgendwie hatte sie das Gefühl, Walter würde auch das verstehen. „Der Figurentanz. Die Jungs ... sie wollten nur mit den hübschen Mädchen tanzen. Wenn ich an der Reihe war, haben sie immer die Augen verdreht.“
    „Autsch.“ Er zog die Schultern hoch, verpasste aber keinen Ton. „Bei mir gab’s dieselbe Reaktion, aber die Mädchen verdrehten vor Schmerz die Augen. Weil ich ihnen kräftig auf die Zehen trat. Ich bin zu den Tanzabenden schon gar nicht mehr hingegangen.“
    „Du Glücklicher. Meine Mutter bestand darauf, dass ich teilnahm. Sie war immer die Ballkönigin und konnte mich überhaupt nicht verstehen. Zum Glück hatte mein Vater irgendwann Mitleid. Er hat im letzten Schuljahr einen Partner für mich arrangiert. Aber dann unterhielt sich Baxter den ganzen Abend mit unserem Direktor Mr Jessup und ich kam wieder nicht zum Tanzen.“
    „Hm. Schon wieder nur zugucken.“ Er blätterte um. „Beim Empfang am Samstag musst du zwar auch nicht tanzen, aber dafür bist du wenigstens nicht allein.“ Er lächelte sie zögerlich an. Das Licht der Klavierlampe ließ das Nussbraune in seinen Augen leuchten.
    „Darüber bin ich wirklich froh.“ Allie bedankte sich mit ihrem warmherzigsten Lächeln.
    Gemeinsam spielten sie den letzten Akkord. Die Töne verbanden sich miteinander, ergänzten sich und erfüllten den Raum in perfekter Harmonie.

Kapitel 4
    Mittwoch, 24. Juni 1942
    Was für eine bescheuerte Abmachung. Endlich hatte Walt ein
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